Leitsatz

Eine private Arbeitsvermittlerin, die in den Jahren 2004 bis 2006 Vermittlungsleistungen an Arbeitsuchende mit einem Vermittlungsgutschein nach § 421g SGB III erbracht und ihr Honorar deshalb unmittelbar von der Bundesagentur für Arbeit erhalten hat, ist eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-RL. Sie kann sich mangels entsprechender Steuerbefreiung im UStG für die von ihr erbrachten Arbeitsvermittlungsleistungen an Arbeitsuchende unmittelbar auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Steuerbefreiung berufen.

 

Normenkette

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g 6. EG- RL, § 421g, § 296 SGB III

 

Sachverhalt

Die Klägerin war in den Streitjahren 2004 bis 2006 als private Arbeitsvermittlerin für Arbeitsuchende mit einem Vermittlungsgutschein nach § 421g des Sozialgesetzbuches Drittes Buch (SGB III) tätig und erhielt ihr Honorar aufgrund der Vermittlungsgutscheine unmittelbar von der Bundesagentur für Arbeit (BA).

Das FA behandelte die Vermittlungsleistungen als umsatzsteuerpflichtig. Die Klägerin sei nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne der 6. EG-RL anerkannt; dies sei aber Voraussetzung für eine Steuerbefreiung.

Die hiergegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg (Schleswig-Holsteinisches FG vom 17.7.2013, 4 K 32/11, Haufe-Index 5084992, EFG 2013, 1615).

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf und gab der Klage statt. Eine private Arbeitsvermittlerin habe in den Streitjahren Vermittlungsleistungen gegenüber Arbeitsuchenden mit einem sog. Vermittlungsgutschein umsatzsteuerfrei erbringen können.

Eine Steuerbefreiung auf nationaler Ebene sei für Leistungen nach dem SGB III zwar erst mit Wirkung vom 1.1.2015 in § 4 Nr. 15b des Umsatzsteuergesetzes eingeführt worden. Die Klägerin könne sich aber unmittelbar auf das Unionsrecht berufen. Sie erbringe Leistungen im Sinne von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der Sechsten Richtlinie 6. EG-RL und sei auch als sonstige Einrichtung mit sozialem Charakter i.S.d. Bestimmung anerkannt.

Diese "Anerkennung" ergebe sich in den Streitjahren, in denen die private Arbeitsvermittlung ohne eine zuvor von der BA erteilte Erlaubnis zulässig war, aus der sich aus dem SGB III ergebenden Kostenübernahme durch die BA. Denn nach § 421g Abs. 1 SGB III (in der in den Streitjahren 2004 und 2005 geltenden Fassung) haben bestimmte Personen Anspruch auf Erteilung eines Vermittlungsgutscheins gegenüber der BA (Satz 1). Mit diesem Vermittlungsgutschein verpflichtet sich die BA, den Vergütungsanspruch eines vom Anspruchsberechtigten eingeschalteten Vermittlers, der diesen in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hat, nach Maßgabe bestimmter Bestimmungen zu erfüllen. Die Zahlung erfolgt unmittelbar an den Vermittler. Ergänzend bestimmte § 296 Abs. 4 SGB III: "Ein Arbeitsuchender, der dem Vermittler einen Vermittlungsgutschein vorlegt, kann die Vergütung abweichend von § 266 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Teilbeträgen zahlen. Die Vergütung ist nach Vorlage des Vermittlungsgutscheins bis zu dem Zeitpunkt gestundet, in dem die Agentur für Arbeit nach Maßgabe von § 421g gezahlt hat."

Offengelassen hat der BFH, ob die (allein) aus dieser Kostenübernahme folgende "Anerkennung" privater Arbeitsvermittler auch für die Zeit ab dem 1. April 2012 gilt. Seitdem bedürfen auch private Arbeitsvermittler (wieder) einer Zulassung (§ 176 SGB III).

 

Hinweis

Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. g der 6. EG-RL befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer die "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen ... durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen".

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 29.7.2015 – XI R 35/13

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