Leitsatz

Geht dem FA eine Feststellungserklärung erst einen Tag vor Eintritt der Feststellungsverjährung zu, kann nicht erwartet werden, dass der Feststellungsbescheid noch – wie dies das Gesetz in § 169 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 181 Abs. 5 S. 3 AO ausdrücklich verlangt – innerhalb der Frist den Bereich der für die Feststellung zuständigen Finanzbehörde verlässt.

 

Normenkette

§ 149 Abs. 2, § 169 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 171 Abs. 3, Abs. 3a, § 181 Abs. 1, Abs. 5 AO, § 10d Abs. 4 S. 6 EStG

 

Sachverhalt

K entstanden im Jahr 2001 für sein Medizinstudium Aufwendungen. Am 30.12.2008 gingen beim FA seine ESt-Erklärung und eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs für 2001 ein, mit denen K seine Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten geltend machte. Das FA lehnte die Verlustfeststellung mit Bescheid vom 07.05.2009 ab, weil die Feststellungsfrist abgelaufen sei. Diese Auffassung teilte auch das FG Düsseldorf (Urteil vom 03.03.2010, 7 K 3657/09 F, Haufe-Index 2388666, EFG 2010, 1855).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG aufgrund der in den Praxis-Hinweisen dargelegten Gründen.

 

Hinweis

Ein komplizierter Fall auf der Schnittstelle zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht. Der inzwischen approbierte Arzt K möchte mit Antrag vom 30.12.2008 die Aufwendungen für sein Medizinstudium im Jahr 2001 als vorab entstandene Werbungskosten im Verfahren über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags (§ 10d Abs. 4 EStG) geltend machen.

Da K für das Jahr 2001 zunächst keine Steuererklärung abgegeben hatte, endete die Feststellungsfrist nach § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1 AO am 31.12.2008. Eine Ablaufhemmung war nicht eingetreten.

a) Keine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3, § 181 Abs. 1 AO: Der Antrag auf Steuerfestsetzung außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens in diesem Sinn, der den Ablauf der Festsetzungsfrist aufhält, ist die gesetzlich vorgeschriebene Steuererklärung eben nicht – und für die gesonderte Feststellung nach § 10d Abs. 4 EStG besteht gem. § 181 Abs. 2 S. 1 AO Steuererklärungspflicht.
b) Auch keine Ablaufhemmung nach § 181 Abs. 5 AO: Diese Vorschrift ermöglicht eine gesonderte Feststellung nach dem Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit, als die Feststellung noch für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Aber diese Vorschrift war im Streitfall ganz unabhängig davon, ob ihre Voraussetzungen vorlagen, gar nicht anwendbar. Denn nach § 10d Abs. 4 S. 6 EStG (hier anwendbar über § 52 Abs. 25 S. 5 EStG) greift § 181 Abs. 5 AO nur dann, wenn das FA die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat. Und davon kann man natürlich dann nicht ausgehen, wenn der Antrag – wie hier – dem FA erst einen Tag vor dem Eintritt der Feststellungsfrist zugeht und deshalb nicht erwartet werden kann, dass der Feststellungsbescheid – wie nach § 169 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 181 Abs. 5 S. 3 AO erforderlich – den Bereich des FA noch innerhalb der Frist verlässt.

Aber ist es nicht so, dass man eine Frist – nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Gründen – bis zuletzt ausschöpfen kann? Ja, aber nur dann, wenn es sich bei der Frist um eine Zeitspanne handelt, in der allein der Steuerpflichtige tätig werden muss. Darum geht es hier aber nicht. Der Steuerpflichtige handelt, indem er seine ESt- oder Feststellungserklärung im zeitlichen Rahmen des § 149 Abs. 2 AO abgibt. Diese Frist kann er voll ausschöpfen. Wer aber bis zum Ablauf der Feststellungsfrist damit wartet, muss den Nachteil tragen, der sich daraus ergibt, dass ein Feststellungsbescheid nicht mehr erlassen werden kann.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 25.05.2011 – IX R 36/10

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