Leitsatz

Dem Großen Senat werden gem. § 11 Abs. 4 FGO folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:

1. Setzt der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers voraus, dass der jeweilige Raum (nahezu) ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird?

2. Sind die Aufwendungen für ein häusliches ­Arbeitszimmer entsprechend den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009, GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 72) aufzuteilen?

 

Normenkette

§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger vermietete zwei Mehrfamilienhäuser. Die dafür erforderlichen Bürotätigkeiten verrichtete er in einem zur privaten Wohnung gehörenden und entsprechend eingerichteten Raum. Das FA versagte den Abzug der Raumkosten als WK bei den Einkünften aus VuV, weil er nicht (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werde. Das FG hat der Klage zum Teil stattgegeben (Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.4.2012, 8 K 254/11, Haufe-Index 3441762, EFG 2012, 2100). Der Kläger habe nachgewiesen, den Raum zu 60 % zur Erzielung von Einkünften zu nutzen.

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hat der IX. Senat das Verfahren ausgesetzt und dem Großen Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung die im Leitsatz zitierten Fragen vorgelegt, nachdem Anfragen bei den anderen mit der Anwendung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG befassten BFH-Senaten zwar keine Divergenz, jedoch in der Sache unterschiedliche Auffassungen zutage gefördert hatten.

 

Hinweis

Mit der Besprechungsentscheidung hat der IX. Senat die Frage, ob Aufwendungen für ein gemischt genutztes häusliches Arbeitszimmer aufgeteilt und anteilig abgezogen werden können, dem Großen Senat des BFH zur Entscheidung vorgelegt. Ziel des Vorstoßes ist es, den anteiligen Abzug unter den Voraussetzungen und in den Grenzen der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zu ermöglichen. Das ist bisher ausgeschlossen, weil bei Anwendung der Norm vorausgesetzt wird, dass der Raum (nahezu) ausschließlich beruflich oder betrieblich genutzt wird.

1. Zur Erinnerung: Mit dem im 2. Leitsatz zitierten Beschluss hat der Große Senat entschieden, dass die Aufwendungen für die Hin- und Rückreise bei gemischt veranlassten Reisen grundsätzlich nach Maßgabe der beruflich und privat veranlassten Zeit-anteile der Reise aufgeteilt werden können, wenn die beruflich veranlassten Zeitanteile feststehen und nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Der 2. Leitsatz der Entscheidung lautet: Das unterschiedliche Gewicht der verschiedenen Veranlassungsbeiträge kann es jedoch im Einzelfall erfordern, einen anderen Aufteilungsmaßstab heranzuziehen oder ganz von einer Aufteilung abzusehen. Mit den Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer haben diese Sätze nichts zu tun, und in den Entscheidungsgründen des Großen Senats wird das häusliche Arbeitszimmer nicht einmal erwähnt. Dennoch ist die Entscheidung des Großen Senats sowohl Anlass als auch Rechtfertigung für die Besprechungsentscheidung.

2. Bekanntlich hat der Große Senat in der Begründung ein generelles Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt veranlasste Aufwendungen verworfen und seine anders lautende frühere Rechtsprechung aufgegeben (Rz. 100).

a) Der Wegfall des Verbots hat unmittelbar nur zur Folge, dass einfache Antworten nicht mehr möglich sind, denn er führt nicht automatisch zu einem Aufteilungs- und Abzugsgebot. Für die Aufteilung und den anteiligen Abzug gemischt veranlasster Aufwendungen spricht die Ausrichtung der Einkommensteuer an der individuellen Leistungsfähigkeit (objektives Nettoprinzip). Dagegen können jedoch – wie sich auch aus dem oben zitierten 2. Leitsatz des Großen Senats ergibt – im Einzelfall, d.h. in besonderen Fallkonstellationen, gute Gründe sprechen, die vom Großen Senat auch teilweise, aber nicht für das häusliche Arbeitszimmer, ausgeführt worden sind. Der Beschluss des Großen Senats hat mithin nicht etwa zur Folge, dass generell aufzuteilen ist. Vielmehr muss nun für jede einzelne Fallgruppe durch Abwägen des Für und Wider bestimmt werden, ob eine Aufteilung in Betracht kommt.
b) In diesem Spannungsfeld hat sich der IX. Senat bei den Aufwendungen für ein gemischt genutztes häusliches Arbeitszimmer sehr eindeutig zugunsten der Aufteilung und für die Abziehbarkeit der anteiligen Aufwendungen entschieden. Dem zentralen Praktikabilitätseinwand begegnet er mit dem Hinweis auf bindende tatsächliche Feststellungen des FG im konkreten Einzelfall (Rz. 37). In seiner Entscheidung zu den Reisekosten hat sich der Große Senat allerdings auch mit der Frage befasst, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ein FG von einer Mitveranlassung der Aufwendungen durch die Erzielung von Einkünften ausgehen darf. Dort findet sich z.B. die Aussage, dass es sich grundsätzlich nicht allein auf die Darstellung des Steuerpflichtigen stützen darf, wenn es an entsprechenden Nachweisen für dessen Sachvortrag fehlt (Rz. 126). Eine der spannenden Fragen wird deshalb sein, ob sich der Große Senat (über die Vorlagefragen hinaus) erneu...

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