Leitsatz

1. Wird eine selbstständige Tätigkeit gemäß § 35 Abs. 2 InsO aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben, ist ein Einkommensteuererstattungsanspruch, der auf Vorauszahlungen beruht, die erst nach der Freigabe festgesetzt und allein nach den zu erwartenden Einkünften aus der freigegebenen Tätigkeit berechnet worden sind, nicht i.S.d. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO der Insolvenzmasse geschuldet (vgl. auch Senatsbeschluss vom 6.3.2014, VII S 47/13 [PKH], BFH/NV 2014, 1013).

2. Darüber hinaus ist ein Einkommensteuererstattungsanspruch auch dann nicht der Insolvenzmasse geschuldet, wenn er auf Vorauszahlungen beruht, die nach der Freigabe aus Mitteln geleistet worden sind, die zum freigegebenen Vermögen gehören.

 

Normenkette

§ 32 InsO, § 37 Abs. 2, § 218 Abs. 2 AO, § 580 Nr. 7 Buchst. b, § 582 ZPO

 

Sachverhalt

Nach Insolvenzeröffnung wurde das Einzelunternehmen des Insolvenzschuldners aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben. Aufgrund der vom Insolvenzschuldner im Veranlagungszeitraum geleisteten ESt-Vorauszahlungen ergab sich ein Erstattungsguthaben, das anteilig auf die Zeit vor und nach Insolvenzeröffnung aufgeteilt wurde. Das FA rechnete gegen beide Teilguthaben mit Insolvenzforderungen auf. Der Insolvenzverwalter hielt die Aufrechnung gegen den auf die Zeit nach Insolvenzeröffnung fallenden Teil für unzulässig. Seine gegen den Abrechnungsbescheid erhobene Klage hatte Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.5.2013, 5 K 3328/10, Haufe-Index 6794510). Das FG meinte, der Aufrechnung stehe das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen. Ein ESt-Erstattungsanspruch gehöre zur Insolvenzmasse.

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

Nach § 35 Abs. 2 InsO kann der Insolvenzverwalter Vermögen aus dem Insolvenzbeschlag freigeben, das der Insolvenzschuldner für die Fortsetzung oder Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit benötigt. Es bestehen dann zwei voneinander zu trennende Teilmassen. Entsteht durch die selbstständige Tätigkeit eine Steuerforderung, ist diese keine Insolvenzforderung, sondern vom FA direkt gegen den Insolvenzschuldner festzusetzen.

Es kann aber auch ein Vergütungs- oder Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners entstehen. Für einen USt-Vergütungsanspruch aus der selbstständigen Tätigkeit hat der BFH bereits entschieden, dass dieser Anspruch nicht in die Insolvenzmasse fällt und deshalb die Aufrechnungsverbote des § 96 InsO nicht gelten (BFH, Urteil vom 1.9.2010, VII R 35/08, BFHE 230, 490).

Bei einem ESt-Erstattungsanspruch des Insolvenzschuldners ist das nicht ganz so klar, wird aber vom BFH gleichwohl angenommen, wenn die ESt-Vorauszahlungen ausschließlich im Hinblick auf die selbstständige Tätigkeit vom FA festgesetzt und vom Insolvenzschuldner geleistet worden sind (BFH, Beschluss vom 6.3.2014, VII S 47/13, [PKH], BFH/NV 2014, 1013).

Im vorliegenden Fall hat der VII. Senat diese Rechtsprechung fortgesetzt. Werden nach der Freigabe ESt-Vorauszahlungen vom Insolvenzschuldner aus Mitteln geleistet, die zum freigegebenen Vermögen gehören, und ist dieser Betrag höher als die entstandene ESt, muss der sich daraus ergebende Erstattungsanspruch wieder in das freigegebene Vermögen gelangen und kann nicht nachträglich der Insolvenzmasse zugeordnet werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.11.2014 – VII R 32/13

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