Leitsatz

Bei Bareinahmen besteht kein Anspruch des Finanzamts auf Datenzugriff auf freiwillig erfolgte Aufzeichnungen.

 

Sachverhalt

Klägerin war eine Apothekerin, die die Bareinnahmen der Apotheke in einer PC-Kasse erfasste. Die baren Tageseinnahmen wurden im Kassenspeicher erfasst. Die Summe der täglichen Bareinnahmen wurde sodann manuell in das Kassenbuch übertragen, diese bildete die Grundlage der Buchführung. Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 forderte das Finanzamt die Klägerin auf, auch die elektronische Datei zur Einzelaufzeichnung der Bareinnahmen vorzulegen. Dem kam die Klägerin nicht nach. Das Finanzamt droht daraufhin ein Verzögerungsgeld an. Die vorzulegenden Dateien seien Grundaufzeichnungen gemäß § 147 Abs. 6 AO. Gegen die Anforderung legte die Klägerin Einspruch ein, sowie anschließend Klage.

 

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg, da das Gericht zu der Auffassung gelangte, dass die Datenanforderung mangels einer gesetzlichen Grundlage rechtswidrig war. Insbesondere sei § 147 Abs. 6 AO keine Rechtsgrundlage für das Ansinnen der Verwaltung. Zwar könne nach dieser Bestimmung das Finanzamt verlangen, dass Daten nach ihren Vorlagen maschinell ausgewertet werden oder ihr zur maschinellen Auswertung zur Verfügung gestellt werden. Dies gelte aber nur dann, wenn den Steuerpflichtigen eine gesetzliche Aufzeichnungspflicht trifft. Die Klägerin sei aber aufgrund der Tatsache, dass sie regelmäßig an Endkunden liefere nicht zur gesonderten Aufzeichnung des Warenausgangs verpflichtet. Zwar müsse der Kaufmann grundsätzlich seine Kassenvorgänge einzeln aufzeichnen. Dies gelte aber dann aus Zumutbarkeits- und Praktikabilitätsgründen nicht, wenn der Unternehmer gegen Barzahlung Waren von geringem Wert an eine unbestimmte Zahl von Kunden in einem offenen Ladengeschäft verkaufe. Die Tagessummen dürften dann täglich festgehalten werden. Auch aus § 147 Abs. 1 Nr. 5 ergebe sich keine Aufzeichnungspflicht, da es sich nicht um sonstige steuerrelevante Unterlagen handele. Somit sei hinsichtlich der Datensätze keine Aufzeichnungspflicht erkennbar, das Finanzamt habe somit auch keinen Anspruch auf die Herausgabe.

 

Hinweis

Das Urteil tritt erfreulicher Weise dem Ansinnen des Finanzamts entgegen, Einzelaufzeichnungen der Barverkäufe übermittelt zu erhalten, obwohl es sich um eine freiwillige Aufzeichnung handelt. Zutreffend stellte das Gericht fest, dass es hierfür keine Rechtsgrundlage gibt. In ständiger Rechtsprechung führt der BFH aus, dass es bei Bargeschäften in einem Ladengeschäft mit einer unbestimmten Anzahl von Kunden keiner Einzelaufzeichnungen bedarf (BFH, Urteil v. 12.5.1966, IV 472/69, BStBl 1966 II S. 37; BFH, Urteil v. 26.2.2004, XI R 25/02, BStBl 2004 II S. 599; BFH, Urteil v. 14.12.2011, XI R 5/10, BFH/NV 2012 S. 1921). Nun mag dahingestellt sein, ob diese Rechtsprechung, die sich vor allem auf Praktikabilitäts- und Zumutbarkeitserwägungen stützt, auf eine Apotheke, die heute regelmäßig über eine detaillierte computergestützte Erfassung der Kassenvorgänge verfügt, so noch in vollem Umfang Anwendung finden muss; solange jedoch der BFH seine Rechtsansicht zu Bargeschäften nicht ändert oder differenziert, erscheinen die Ausführungen des FG Hessen in vollem Umfang zutreffend.

Allerdings darf nicht verkannt werden, dass es auch Entscheidungen aus der Finanzrechtsprechung gibt, die dem Urteil des FG Hessen offensichtlich entgegenstehen (vgl. FG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 15.1.2013, 1 V 580/12). In diesem Fall scheinen indes die Aufzeichnungen erheblich weiter differenziert gewesen zu sein als im Urteil des FG Hessen, so dass die beiden Sachverhalte nur bedingt vergleichbar sind. Nichtsdestotrotz wäre eine klarstellende Entscheidung des BFH unter Berücksichtigung der neueren technischen Entwicklungen wünschenswert.

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Urteil vom 24.04.2013, 4 K 422/12

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge