Leitsatz

1. Der Vorteil aus einem vom Arbeitgeber eingeräumten Aktienoptionsrecht fließt dem Arbeitnehmer zu, wenn der Arbeitnehmer das Recht ausübt oder anderweitig verwertet. Eine solche anderweitige Verwertung liegt insbesondere vor, wenn der Arbeitnehmer das Recht auf einen Dritten überträgt.

2. Der Vorteil bemisst sich nach dem Wert des Rechts im Zeitpunkt der Verfügung darüber.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 1, Abs. 2, § 11 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

K war geringfügig (unter 1,5 %) an der E-GmbH beteiligt und als deren Geschäftsführer nicht selbstständig tätig. Die E-GmbH räumte K am 29.10.2002 als Lohn eine Option zum Erwerb von 15.000 Aktien der A-AG zu 0,65 EUR/Aktie ein, auszuüben vom 1.1.2004 – 10.1.2005. K durfte die Aktienoption auf die Z-GmbH übertragen, an der K zu 100 % beteiligt war; deren Unternehmensgegenstand war die Verwaltung eigenen Vermögens. Am 29.11.2002 übertrug K seine Option der Z-GmbH für 0,10 EUR/Recht (1.500 EUR); die A-AG-Aktie notierte da mit 1,84 EUR. Die Z-GmbH übte die Option am 9.1.2004 gegenüber der E-GmbH aus und erhielt die Aktien in ihr Depot am 12.1.2004; da betrug der Kurswert 5,41 EUR je Aktie. 2005 veräußerte die Z-GmbH 5.000 Aktien der A-AG. Das FA setzte dafür bei K Lohneinkünfte von 71.400 EUR an: Wert bei Depotzugang der Z-GmbH abzüglich Kaufpreis/Aktie (5,41 EUR / 0,65 EUR = 4,76 EUR; multipliziert mit 15.000). Die Klage blieb erfolglos (FG München, Urteil vom 20.10.2010, 9 K 3804/08, Haufe-Index 2602422, EFG 2011, 702). Mit Optionsausübung durch die Z-GmbH habe K 2004 einen geldwerten Vorteil von 71.400 EUR erhalten.

 

Entscheidung

Der BFH hob aus den unter den Praxis-Hinweisen erläuterten Erwägungen die Vorentscheidung auf und gab der Klage des K statt.

 

Hinweis

Die vom Arbeitgeber eingeräumten Optionsrechte waren zweifelsohne lohnsteuerrechtlich erhebliche Vorteile. Aber auf welchem Weg, wann und mit welchem Wert war dem Arbeitnehmer dieser Vorteil zugeflossen? Der BFH folgte dem FG nicht darin, dass der Arbeitnehmer den Vorteil dadurch und in dem Zeitpunkt erlangte, als die Z-GmbH selbst das auf sie übertragene Optionsrecht ausgeübt hatte.

1. Im typischen Fall einer vom Arbeitgeber eingeräumten Aktienoption übt der Arbeitnehmer die Option aus; und durch BFH-Rechtsprechung ist geklärt, dass (erst) in diesem Zeitpunkt der geldwerte Vorteil zufließt. Der BFH hatte aber auch schon untypische Verwertungsformen zu entscheiden. Stets fließt der Vorteil nicht schon dann zu, wenn der Arbeitnehmer das Recht erlangt, sondern erst mit Verwertung des Rechts, z.B. bei der entgeltlichen Übertragung eines Wandeldarlehens samt Wandlungsrecht auf einen Dritten (BFH, Urteil vom 23.6.2005, VI R 10/03, BFH/NV 2005, 1706, BFH/PR 2005, 369) oder beim Verzicht auf ein Aktienankaufsrecht gegen Entgelt (BFH, Urteil vom 19.6.2008, VI R 4/05, BFH/NV 2008, 1611, BFH/PR 2008, 428). Maßgebender Zuflusszeitpunkt ist der Tag der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers aus diesem Recht. Im Regelfall ist das der Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien im Depot des Arbeitnehmers, bei untypischer Verwertung der Zeitpunkt der Verfügung über das Recht, nämlich der Übertragung des Rechts oder des Verzichts darauf.

2. Im Streitfall hatte der Arbeitnehmer K das Optionsrecht untypisch verwertet: er hatte es der Z-GmbH am 29.11.2002 gegen Entgelt übertragen. Nach den vorgenannten Grundsätzen war deshalb der Vorteil K schon 2002 zugeflossen und daher nicht im hier streitigen Bescheid 2004 zu erfassen. Der BFH folgte insbesondere nicht der Auffassung von FA und FG, die Übertragung im Jahr 2002 unberücksichtigt zu lassen und die Optionsausübung durch die Z-GmbH am 9.1.2004 und den Vorteil daraus dem K zuzurechnen. Unerheblich war deshalb, ob K das Optionsrecht in die Z-GmbH verdeckt eingelegt hatte. Denn auch dadurch hat K sein Optionsrecht verwertet. Es lagen auch keine Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Gestaltung (§ 42 AO) vor. Die Z-GmbH war eigenständiges Steuersubjekt i.S.d. § 1 KStG (Trennungsprinzip).

3. Damit war der Vorteil also nicht in 2004 anzusetzen, der Streitfall (ESt 2004) entschieden. Der BFH belässt es aber nicht bei der kassatorischen Entscheidung, sondern führt aus, dass der Vorteil im Jahr 2002 anzusetzen ist. Ohne Bindungswirkung, denn 2002 war nicht Streitgegenstand, erläutert er: K verwertete das Optionsrecht mit Übertragung auf die Z-GmbH am 29.11.2002; in diesem Verwertungs- und Zuflusszeitpunkt (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG) ist der Vorteil anzusetzen, und zwar mit dem Wert des Optionsrechts als Sachbezug i.S.d. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten Endpreis am Abgabeort (BFH, Urteil vom 1.2.2007, VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898). Bei der Bewertung wird sich dann auch zeigen, ob tatsächlich das Optionsrecht verdeckt eingelegt worden war oder ob im Zeitpunkt der Übertragung der dafür angesetzte Wert (0,10 EUR je Bezugsrecht) angemessen war.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 18.9.2012 – VI R 90/10

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