Leitsatz

§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) ist erstmals auf die Berichtigung von Bilanzen anzuwenden, auf denen die ESt-Festsetzungen in den Veranlagungszeiträumen ab 2007 beruhen. Auf den Zeitpunkt der Vornahme der Bilanzberichtigung kommt es nicht an.

 

Normenkette

§ 4 Abs. 2, § 52 EStG

 

Sachverhalt

Ein Landwirt hatte Pferde des Anlagevermögens nach Durchschnittssätzen bewertet. Nach einer die Jahre 2004–2006 betreffenden Außenprüfung war der Prüfer der Ansicht, die Pferde seien einzeln zu bewerten. In der Prüferbilanz auf den 30.6.2004 setzte er den höheren Wert an. Das FA erließ entsprechend geänderte ESt-Bescheide für 2003 und 2004.

Mit der Klage machte der Landwirt geltend, die Bilanzberichtigung sei in der Bilanz auf den 30.6.2003 durchzuführen, weil der letzten nicht mehr änderbaren Veranlagung 2002 die Bilanz auf den 30.6.2002 zugrunde gelegen habe. Das FA berief sich demgegenüber auf § 4 Abs. 2 Satz 1 i.d.F. des JStG 2007. Das FG gab der Klage insoweit statt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 17.11.2009, 12 K 185/09, Haufe-Index 2271146, EFG 2010, 397).

 

Entscheidung

Der BFH teilte die Auffassung des FG, dass die Bilanzberichtigung zum 30.6.2002 hätte durchgeführt werden müssen. Die vom FA für anwendbar gehaltene Neuregelung in § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 EStG gelte erstmals für Veranlagungen des Jahres 2007.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung betrifft die erstmalige Anwendung des mit dem JStG 2007 eingefügten Halbsatzes 2 in § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG. Sie hat nur für die Bilanzberichtigung nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs (nachstehend 2.) bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft auf der Grundlage eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs (nachstehend 3.) Bedeutung.

2. Nach dem vom BFH und der Praxis favorisierten Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs kommt es für den Zeitpunkt einer Bilanzberichtigung nicht allein auf den Zeitpunkt des ­Bilanzierungsfehlers an. Ist der Fehler in einem VZ unterlaufen, der bestandskräftig veranlagt ist, kommt es gleichwohl zur Korrektur des Fehlers, und zwar in der Schlussbilanz des am weitesten zurückliegenden VZ, dessen Veranlagung noch geändert werden kann. Dort wird der Fehler i.d.R. erfolgswirksam korrigiert, wenn er sich seinerzeit auf den Gewinn ausgewirkt hatte.

3. Da sich die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft bei dem üblicherweise geltenden abwei­chenden Wirtschaftsjahr anteilig aus den Ge­winn­ermittlungen der beiden den VZ berührenden ­Wirtschaftsjahre zusammensetzen, hat eine Bilanzberichtigung im letzten noch "offenen" VZ zur Folge, dass nur der Anteil des zu Beginn des VZ laufenden Wirtschaftsjahrs zu einer höheren Steuerfestsetzung führt. Für das Vorjahr und damit für den in das Vorjahr fallenden Anteil des betreffenden Wirtschaftsjahrs ist ja definitionsgemäß keine Änderung der Veranlagung mehr möglich. Endet das Wirtschaftsjahr also am 30.6., wird immer nur die Hälfte des Gewinns aus der rückwirkenden Bilanzberichtigung besteuert. Dieser "Steuervorteil" hatte den BFH gleichwohl nicht dazu bewogen, von der formalen Anwendung der Grundsätze zum formellen Bilanzenzusammenhang abzuweichen.

Mit dem JStG 2007 wurde deshalb nun gesetzlich geregelt, dass eine Bilanzberichtigung die Änderbarkeit aller betroffenen Veranlagungen voraussetzt. Ist die Veranlagung für 01 also bestandskräftig veranlagt und nicht änderbar, kann eine Bilanzberichtigung für einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit abweichendem Wirtschaftsjahr frühestens zum Ende des Wirtschaftsjahrs 02/03 vorgenommen werden. Damit ist sichergestellt, dass der durch die Berichtigung entstehende Gewinn in den VZ 02 und 03 besteuert werden kann.

4. Im Fall des hiesigen Urteils wollte das FA die Gesetzesänderung schon für den VZ 2003 nutzbar machen. Die Berichtigung hätte bei Anwendung der Neuregelung zum 30.6.2004 stattfinden müssen; nach bisheriger Handhabung musste sie zum 30.6.2003 vorgenommen werden. Da mit dem JStG 2007 keine besondere Anwendungsvorschrift in § 52 EStG geschaffen worden ist, gilt die Neuregelung nach der Generalklausel des § 52 Abs. 1 EStG erstmals im VZ 2007. Dies versteht der BFH dahin, dass erstmals Einkünfte, die im VZ 2007 zu besteuern sind, erfasst werden. Für alle Bilanzberichtigungen, die frühere VZ betreffen, bleibt es bei der günstigen Handhabung nach bisheriger BFH-Rechtsprechung.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 19.7.2011 – IV R 53/09

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