Leitsatz

Besteht die Position eines Gesellschafters allein in der gebundenen Mitwirkung an einer inkongruenten Kapitalerhöhung, vermittelt sie kein wirtschaftliches Eigentum i.S.v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO an einem Gesellschaftsanteil.

 

Normenkette

§ 39 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO, § 17 Abs. 1 S. 1, 4 EStG

 

Sachverhalt

Herr K erwarb mit einheitlichem notariellem Vertrag im Juli 1999 von der H-GmbH einen Geschäftsanteil von 12,6 % an der K-GmbH, deren Stammkapital in diesem Zeitpunkt 25 565 EUR betrug. Die H-GmbH war zunächst alleinige Gesellschafterin der K-GmbH gewesen. Sie hatte ihre Beteiligung in sechs Anteile gesplittet, von denen K einen und die H-GmbH ebenfalls einen erhielt. Nach diesem Vertrag hielten u.a. K und die H-GmbH unter Verzicht auf alle Frist- und Formvorschriften eine Gesellschafterversammlung der K-GmbH ab und beschlossen eine Erhöhung deren Stammkapitals auf 24 Mio. EUR. Damit verminderte sich die Beteiligung des K auf 0,0208 %. K wurde als einer von drei Geschäftsführern bestellt. Erst dann wurde der Vertrag unterzeichnet und notariell beurkundet. Im August 2000 veräußerte K seinen Gesellschaftsanteil für 1 533 875 Mio. EUR und erzielte damit einen Veräußerungsgewinn von 1 528 875 EUR. Das FA besteuerte den Gewinn nach § 17 EStG. Das FG (FG Köln, Urteil vom 17.03.2010, 2 K 1049/03, Haufe-Index 2349913, EFG 2010, 1499) wies die Klage ab. K sei i.S.v. § 17 EStG an der K GmbH beteiligt gewesen. Denn die Übertragung eines Gesellschaftsanteils durch die H-GmbH sei zivilrechtlich wie auch steuerrechtlich wirksam gewesen.

 

Entscheidung

Die Revision des K war erfolgreich. Der BFH gab seiner Klage aus den in den Praxis-Hinweisen dargelegten Gründen statt:

Die aus der Beteiligung von 12,6 % resultierenden Verwaltungsrechte standen K ausschließlich in Gestalt einer einmaligen vorweg gebundenen Stimmrechtsausübung zu. Für die tatsächliche Wahrnehmung von vermögensrechtlichen Ansprüchen ließ die konkrete Vertragsgestaltung hingegen keinerlei Raum.

 

Hinweis

Dies ist eine wichtige Grundsatzentscheidung zu einer besonderen Art der Gesellschaftsbeteiligung und das erste Urteil zu einer Reihe von weiteren beim BFH anhängigen, vergleichbaren Fällen. Wie das im Leitsatz zusammengefasste Ergebnis schon klarstellt, geht es um die Position eines Gesellschafters, die in dieser Höhe allein in der gebundenen Mitwirkung an einer Kapitalerhöhung besteht.

1. Auf die Höhe der Beteiligung kommt es nämlich an. Nach § 17 Abs. 1 S. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt war (§ 17 Abs. 1 S. 4 EStG). Entscheidend ist, ob dem Steuerpflichtigen, der seine Beteiligung veräußert, eine maßgebliche Beteiligung nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen ist, er also jedenfalls wirtschaftliches Eigentum an dieser Beteiligung hatte.

2. Wirtschaftlicher Eigentümer ist, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrecht) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.

3. Dabei ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend.

4. Hat der Steuerpflichtige vor der inkongruenten Kapitalerhöhung keine tatsächliche freie Verfügungsbefugnis über seine Beteiligung erworben und war es ihm zu keinem Zeitpunkt möglich, aus dieser Beteiligung resultierende Rechte – jenseits der Mitwirkung an der inkongruenten Kapitalerhöhung – auszuüben, besteht seine Position allein in der gebundenen Mitwirkung an der Herstellung der vorweg vereinbarten Gesellschaftsstruktur unter Reduzierung der eigenen Beteiligungsquote. Das reicht für die Annahme einer maßgeblichen Beteiligung nicht aus.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 25.05.2011 – IX R 23/10

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