Leitsatz

Erlässt das Finanzamt einen Änderungsbescheid, der einen Vorläufigkeitsvermerk enthält, der an die Stelle eines bereits im Erstbescheid vorhandenen Vorläufigkeitsvermerks tritt, wird der Umfang der Vorläufigkeit durch den neuen Vorläufigkeitsvermerk neu geregelt.

 

Sachverhalt

Im Streitfall ging es vereinfacht dargestellt um einen Feststellungsbescheid, der hinsichtlich der Feststellung von Sonderwerbungskosten auf Gesellschafterebene vorläufig erging, da noch allgemeiner Klärungsbedarf bestand. Nach Abschluss einer Betriebsprüfung erließ das Finanzamt einen Änderungsbescheid, in den es einen Vorläufigkeitsvermerk aufnahm, der andere Punkte betraf, ohne auf den Vorläufigkeitsvermerk des Erstbescheides Bezug zu nehmen. Nach Rechtskraft dieses Bescheides beantragte die Gesellschaft die Berücksichtigung weiterer Sonderwerbungskosten nach § 165 Abs. 2 AO. Dies lehnte das Finanzamt unter Hinweis auf die insoweit nicht mehr bestehende Vorläufigkeit ab.

 

Entscheidung

Dieser Auffassung war auch das FG. Denn ein in einem Änderungsbescheid enthaltener Vorläufigkeitsvermerk, der an die Stelle eines bereits ergangenen Vorläufigkeitsvermerks tritt, bestimmt den Umfang der Vorläufigkeit neu und regelt abschließend, inwieweit die Steuer nunmehr vorläufig festgesetzt ist. Auch wenn das Finanzamt in dem Änderungsbescheid keinerlei Bezug auf den Vorgängerbescheid genommen hatte, war aus diesem erkennbar, dass der Vorläufigkeitsvermerk aufgrund akuten Klärungsbedarfs erlassen wurde, weil zu diesem Zeitpunkt keine abschließende Bearbeitung vorgenommen werden konnte. Diese Unsicherheit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht war jedoch spätestens mit dem Ergehen des Betriebsprüfungsberichts nicht mehr gegeben. Aus diesem Grund war der Änderungsbescheid nur so zu verstehen, dass die Vorläufigkeitsfestsetzung nunmehr geändert wurde und sich auf die in dem Bescheid ausdrücklich angesprochenen Punkte (die nicht die Sonderwerbungskosten betrafen) beschränken sollte.

 

Hinweis

Gemäß § 124 Abs. 1 S. 2 AO wird ein Vorläufigkeitsvermerk als Nebenbestimmung zu einem Verwaltungsakt in gleicher Weise wie ein Verwaltungsakt mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird. Für den Regelungsinhalt der Nebenbestimmung ist entscheidend, wie der Adressat seinen materiellen Gehalt nach den ihm bekannten Umständen (seinem "objektiven Verständnishorizont") unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 133 BGB) verstehen konnte. Der Steuerpflichtige muss allerdings die Änderung des ursprünglichen Vorläufigkeitsvermerks erkennen können und nicht über den Umfang des neuen Vorläufigkeitsvermerks spekulieren müssen, ansonsten bleibt auch der ursprüngliche Vorläufigkeitsvermerk weiterhin wirksam.

 

Link zur Entscheidung

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.10.2011, 9 K 9182/07

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