Leitsatz

Schuldzinsen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG, die auf Zeiträume nach Veräußerung der Beteiligung oder Auflösung der Gesellschaft entfallen, können ab dem Veranlagungszeitraum 1999 wie nachträgliche Betriebsausgaben als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen werden (Änderung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 S. 1, § 17 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 4 Abs. 4 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger hatte die Anschaffung von Geschäftsanteilen an einer GmbH durch Darlehen finanziert und diese Geschäftsanteile später an seinen Sohn veräußert. Für die Zeit nach der Veräußerung machte er erfolglos weiterhin angefallene Darlehenszinsen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.

Das FG wies die Klage im Wesentlichen ab (FG Münster, Urteil vom 17.04.2008, 6 K 461/04 E, Haufe-Index 2018618, EFG 2008, 1283).

 

Entscheidung

Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Die strittigen Schuldzinsen für das Jahr 2001 seien als nachträgliche Werbungskosten abziehbar. Die Sache sei aber nicht spruchreif, weil das FG die Höhe der Zinsen nicht festgestellt habe.

 

Hinweis

1. Aufwendungen sind als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen und dementsprechend als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehbar, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen.

2. Im Anwendungsbereich von § 4 Abs. 4 EStG sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH Schuldzinsen auf Betriebsschulden auch nach Aufgabe oder Veräußerung des Betriebs grundsätzlich als Betriebsausgaben abziehbar, soweit sie nicht auf Verbindlichkeiten entfallen, die durch den Veräußerungspreis und die Verwertung von zurückbehaltenen aktiven Wirtschaftsgütern hätten getilgt werden können.

3. Demgegenüber hatte der VIII. Senat des BFH bisher für die Einkünfte aus Kapitalvermögen in ständiger Rechtsprechung einen solchen Zusammenhang grundsätzlich verneint und deshalb den Abzug von (nachträglichen) Schuldzinsen abgelehnt, die für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG anfallen, soweit sie auf Zeiträume nach Veräußerung oder Aufgabe der Beteiligung entfallen.

Die Rechtsprechung zur Nichtabziehbarkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Überschusseinkünften beruht letztlich auf der rechtlichen Zuweisung der Finanzierungsaufwendungen zur nicht steuerbaren, privaten Vermögensebene. Mit der Veräußerung oder Aufgabe der Einkunftsquelle entfalle der wirtschaftliche Zusammenhang der Aufwendungen mit einer Einkunftsart.

4. Diese Rechtsprechung ist nunmehr für nachträgliche Schuldzinsen im Zusammenhang mit Beteiligungen i.S.v. § 17 EStG aufgegeben.

a) Nach Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle von mehr als 25 % auf 10 % durch StEntlG 1999/2000/2002 für Veranlagungszeiträume ab 1999 und erst recht für die Zeit nach Absenkung der für die Anwendung des § 17 Abs. 1 S. 1 EStG maßgeblichen Beteiligungsgrenze auf 1 % durch das StSenkG für Veranlagungszeiträume ab 2001 und der damit einhergehenden konzeptionellen Gleichbehandlung von Gewinnausschüttung und Veräußerung besteht für die Einkünfte aus Kapitalvermögen jedenfalls bei einer Beteiligung i.S.v. § 17 EStG keine sachliche Rechtfertigung mehr für die rechtliche Zuweisung der nachträglichen Finanzierungskosten zur (grundsätzlich) nicht steuerbaren Vermögensebene.

b) Mit der zweimaligen Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle in § 17 Abs. 1 EStG und der Erweiterung der Erfassung privater Veräußerungsgeschäfte in § 23 EStG hat der Gesetzgeber bezüglich der steuerlichen Erfassung von Wertsteigerungen im Privatvermögen einen Paradigmenwechsel eingeleitet.

c) Vor diesem Hintergrund ist der Veranlassungszusammenhang der nachträglichen Schuldzinsen mit den Einkünften aus Kapitalvermögen bei Aufgabe oder Veräußerung einer Beteiligung i.S.v. § 17 EStG nicht mehr anders zu beurteilen als im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 4 EStG bei den Gewinneinkünften. Denn ebenso wie nachträgliche Schuldzinsen betrieblich veranlasst sind, wenn sie nach der Veräußerung oder Aufgabe eines Betriebs weiterhin der Finanzierung der nicht ablösbaren betrieblichen Verbindlichkeiten dienen, sind nachträgliche Schuldzinsen nach der Veräußerung oder Aufgabe einer wesentlichen Beteiligung i.S.v. § 17 EStG in den ab 1999 geltenden Fassungen durch die früheren Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) veranlasst. Durch die Beendigung der Einkünfteerzielung aus Kapitalvermögen ist der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang nicht unterbrochen, weil die nachträglichen Schuldzinsen nach wie vor durch die zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen aufgenommenen Schulden ausgelöst sind, die bei Veräußerung oder Aufgabe der Beteiligung nicht abgelöst werden konnten. Die nachträglichen Schuldzinsen dienen mithin – ebenso wie im betrieblichen Bereich – der Finanzierung eines steuerrechtlich erheblichen Veräußerungs- od...

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