Rz. 14

Zur Gegenleistung bei Erbbaurechtsvorgängen gilt Folgendes:

 

Der Wortlaut des § 9 Abs. 1 GrEStG lässt nicht ohne Weiteres erkennen, auf welche Grundstücksgeschäfte die Vorschrift anzuwenden ist. Es könnte z. B. im Hinblick darauf, dass in § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nur vom "Kauf" gesprochen wird, fraglich sein, ob die Bestimmung auch für "andere Rechtsgeschäfte" i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gilt. Diese Frage ist jedoch uneingeschränkt zu bejahen (vgl. BFH v. 17.9.1975, II R 42/70, BStBl II 1976, 126), sodass § 9 GrEStG z. B. auch auf Erbbaurechtsvorgänge Anwendung findet.

Für Erwerbsvorgänge, die ein Erbbaurecht betreffen, berechnet sich die Grunderwerbsteuer regelmäßig aus dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Nur in den gesetzlich definierten Ausnahmefällen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 GrEStG ist der Grundbesitzwert des Erbbaurechts (vgl. § 138 Abs. 3, § 148 Abs. 1 BewG; siehe auch § 8 GrEStG Rz. 14) als Bemessungsgrundlage heranzuziehen (z. B. wenn eine Gegenleistung fehlt oder nicht zu ermitteln ist oder in den Fällen des § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG).

Nach der ausdrücklichen Regelung des § 9 Abs. 2 Nr. 2 S. 3 GrEStG gilt der – auf dem Erbbaurecht ruhende – Erbbauzins nicht als dauernde Last, was zur Folge hat, dass er zur Gegenleistung rechnet (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 GrEStG).

Bei Erbbaurechtsvorgängen muss Gegenstand des Erwerbsvorgangs nicht immer und unbedingt das Erbbaurecht in seinem Zustand zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbbaurechtsvertrags sein. Soweit eine Verpflichtung der Veräußererseite (Erbbaurechtsgeber und ggf. mit ihm verbundener Dritter) zur Herstellung eines Gebäudes besteht, kann Gegenstand des Erwerbsvorgangs durchaus auch das Erbbaurecht in seinem künftigen (z. B. bebauten) Zustand sein. Dazu ist neben dem Abschluss des Erbbaurechtsvertrags auch der Abschluss eines Bauvertrags mit der Veräußererseite erforderlich (vgl. BFH v. 24.4.2013, II R 53/10, BStBl II 2013, 755). Insoweit gelten auch hier die von der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung zum sog. einheitlichen Vertragswerk bzw. zum einheitlichen Leistungsgegenstand aufgestellten Rechtsgrundsätze (vgl. Tz. 3.1.2 der gleich lautenden Ländererlasse zur Beurteilung von Erbbaurechtsvorgängen v. 16.9.2015, BStBl I 2015, 827; siehe hierzu auch die Ausführungen zu § 9 Nr. 6.2f – Rz. 35ff.).

Hinsichtlich der einzelnen im Zusammenhang mit Erbbaurechten auftretenden und der Grunderwerbsteuer unterliegenden Tatbestände (vgl. § 2 Nr. 4 GrEStG Rz. 16) kommen als Gegenleistung folgende Ansätze in Betracht:

 

Rz. 14a

 

Bei der Bestellung, Übertragung, Erneuerung und Verlängerung eines Erbbaurechts (Untererbbaurechts) gehören zur Gegenleistung der nach § 13 BewG kapitalisierte Wert der Erbbauzinsverpflichtung (§ 9 Abs. 2 Nr. 2 S. 3 GrEStG; BFH v. 21.12.1977, BStBl II 1978, 318) sowie der Wert etwaiger Zuzahlungen und sonstiger Leistungen (vgl. Tz. 3.1.1 der gleich lautenden Ländererlasse zur Beurteilung von Erbbaurechtsvorgängen v. 16.9.2015, BStBl I 2015, 827).

 
Praxis-Beispiel

A bestellt zugunsten des B ein Erbbaurecht für die Dauer von 75 Jahren. Als Erbbauzins wird ein jährlicher Betrag in Höhe von 1.200 EUR vereinbart. Außerdem hat B an A einen einmaligen Betrag in Höhe von 5.000 EUR zu entrichten.

Die Summe aus dem Kapitalwert der Erbbauzinsverpflichtung in Höhe von 22.014 EUR (1.200 EUR x 18,345) – vgl. § 13 Abs. 1 S. 1 i. V. m. Anlage 9a BewG – und dem Einmalbetrag von 5.000 EUR ist als Gegenleistung der Besteuerung zugrunde zu legen (27.014 EUR).

Nach § 17 Abs. 3 S. 2 BewG ist der Jahreswert der Erbbauzinsverpflichtung nicht auf den 18,6ten Teil des Werts des Grund und Bodens des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks zu beschränken (vgl. Tz. 3.1.1 der gleich lautenden Ländererlasse zur Beurteilung von Erbbaurechtsvorgängen v. 16.9.2015, BStBl I 2015, 827).

Weicht beim Kauf eines Erbbaurechts die Gegenleistung vom Verkehrswert ab, ist der Grundbesitzwert keine Ersatzbemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer. Die Regelung des § 13 Abs. 3 BewG betrifft den gemeinen Wert der wiederkehrenden Leistung und nicht des (Erbbau-)Grundstücks (FG Hamburg v. 19.2.2009, 3 K 13/08, StEd 2009, 359).

Grundsätzlich kann auch ein ungewöhnlich niedriger Erbbauzins als Gegenleistung anzusetzen sein, wenn er ernsthaft vereinbart ist und nicht nur symbolischen Charakter hat. Häufig werden aber im Zusammenhang mit sehr niedrigen Erbbauzinsen dem Erbbauberechtigten auch weitere Verpflichtungen auferlegt (z. B. Sanierung des vorhandenen Bauwerks), deren Wert ggf. in die Gegenleistung einzubeziehen ist. In derartigen Fällen scheidet eine Einbeziehung des Werts dieser Verpflichtungen in die Gegenleistung indes aus, wenn der Erbbauberechtigte bei Erlöschen des Erbbaurechts eine Entschädigung nach dem Verkehrswert des Gebäudes erhält. Hier ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Baumaßnahmen dem Erwerber als (zukünftigem) Inhaber des Erbbaurechts allein zugutekommen. Die entsprechenden Aufwendungen stellen dann eigennützige Erwerberleistungen...

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