Leitsatz

Durch das Steueränderungsgesetz 2003 wurde durch § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG mit Wirkung zum 1.1.2004 einschränkend geregelt, dass eine Vorsteueraufteilung nach Ausgangsumsätzen nur dann zulässig ist, wenn keine andere wirtschaftliche Zuordnung möglich ist. Diese Einschränkung hält das Niedersächsische FG für nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.

 

Sachverhalt

Die Klägerin errichtete in den Jahren 2003 und 2004 ein gemischt genutztes Gebäude, das zum Teil - durch zulässige Option - für steuerpflichtige Vermietungsumsätze und zum Teil für steuerfreie Vermietungsumsätze verwendet werden sollte. In 2003 teilte sie die Vorsteuer entsprechend der erwarteten Ausgangsumsätze für die steuerfreie und die steuerpflichtige Vermietung auf, dieser Aufteilungsmaßstab wurde so auch in 2004 beibehalten.

Nach einer Betriebsprüfung kürzte der Prüfer den Vorsteuerabzug ab 2004, da er das Verhältnis der Mietflächen als Vorsteueraufteilungsmaßstab berücksichtigte. Für die schon in 2003 nach dem Umsatzschlüssel aufgeteilten und geltend gemachten Vorsteuerbeträge wurde eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG vorgenommen.

Nach Zurückweisung des Einspruchs wurde Klage beim Finanzgericht erhoben.

 

Entscheidung

Das Niedersächsische FG sah die Klage als begründet an. Nach Auffassung des Finanzgerichts verstößt die Beschränkung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG gegen das Gemeinschaftsrecht, sodass der Unternehmer auch in 2004 die Aufteilung der Vorsteuerbeträge im Verhältnis seiner Ausgangsumsätze vornehmen kann.

Ausführlich stellt das Gericht den Werdegang der gesetzlichen Regelung des § 15 Abs. 4 UStG dar. Gegen den Widerstand der Finanzverwaltung hatte sich in der ständigen Rechtsprechung des BFH herausgebildet, dass die Aufteilung im Verhältnis der Ausgangsumsätze bei gemischt genutzten Immobilien eine zulässige Methode ist [1]Mit Wirkung vom 1.1.2004 wurde dann jedoch durch Einfügen der Beschränkung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG ein gesetzliches Verbot der Aufteilung des Vorsteuerbetrags im Verhältnis der Ausgangsumsätze umgesetzt, wenn es einen anderen wirtschaftlichen Aufteilungsmaßstab gibt. Damit war im Ergebnis ein Verbot des Umsatzschlüssels bei gemischt genutzten Immobilien erreicht, da das Verhältnis der Mietflächen immer ermittelbar ist.

Ob dieses indirekte Verbot des Umsatzschlüssels als Aufteilungsmaßstab für gemischt genutzte Immobilien mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist, ist bisher in der Literatur kontrovers diskutiert worden. Das Niedersächsische Finanzgericht stellt sich dabei auf die Seite derer, die einen Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben sehen. Es stützt - da es sich um einen Sachverhalt der Jahre 2003 und 2004 handelt - seine Argumente auf die 6. EG-Richtlinie. Die in der 6. EG-Richtlinie enthaltenen Vorgaben zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge sind inhaltsgleich in die heute gültige MwStSystRL übernommen worden.

Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und 2 der 6. EG-RL[2] sehen den Umsatzschlüssel als Regelaufteilungsmaßstab für die Vorsteueraufteilung vor. Damit ist nach Auffassung des Niedersächsischen FG nicht vereinbar, dass eine nationale Regelung wie § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG den Umsatzschlüssel nur als subsidiären Aufteilungsmaßstab zulässt. Auch die in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 der 6. EG-RL[3]aufgeführten abweichenden Methoden zur Vorsteueraufteilung lassen keine Möglichkeit zu, den Umsatzschlüssel als vorrangigen Aufteilungsmaßstab auszuschließen. Insbesondere ergibt sich auch aus Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. c der 6. EG-RL[4] keine andere Möglichkeit. Auf diese Regelung, die eine nationale Möglichkeit vorsieht, den Abzug der Vorsteuerbeträge je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen, hatte die Finanzverwaltung die Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht gestützt.

Wegen des Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht kann sich die Klägerin auf das für sie günstigere Gemeinschaftsrecht berufen und auch in den Jahren ab dem 1.1.2004 eine Vorsteueraufteilung im Verhältnis der vorsteuerabzugsberechtigenden zu den nicht vorsteuerabzugsberechtigenden Umsätzen aufteilen. Eine Anrufung des EuGH sah das Gericht auch nicht als notwendig an, da die gemeinschaftsrechtliche Regelung inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheint.

Da die Rechtsfrage für eine Vielzahl von Fällen Bedeutung hat und eine höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht vorliegt, hat das Niedersächsische FG die Revision beim BFH zugelassen.

 

Hinweis

Es war abzusehen, dass sich der BFH mit dieser Frage eines Tages auseinandersetzen muss. Da es sich um einen vielfach in der Praxis auftretenden Sachverhalt handelt und auch eine hinreichend große Auswirkung auf den Umfang der Vorsteuerabzugsberechtigung vorhanden ist, kann sich hier wieder ein für die Bundesrepublik Deutschland teurer Rechtsstreit ergeben.

Es ist zu vermuten, dass der BFH sich entweder der Rechtsauffassung des Finanzgerichtes anschließen oder die Frage dem EuGH zur Vorabentschei...

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