Leitsatz

Das FA darf im Besteuerungsverfahren eines Bankkunden von der Bank im Regelfall erst dann die Vorlage von Kontoauszügen als Urkunden i.S.v. § 97 AO verlangen, wenn die Bank eine zuvor geforderte Auskunft über das Konto nach § 93 AO nicht erteilt hat, wenn die Auskunft unzureichend ist oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen.

 

Normenkette

§ 93, § 97 Abs. 2 S. 1 AO

 

Sachverhalt

Im Rahmen einer Außenprüfung forderte der Betriebsprüfer von A die Vorlage von Auszügen für das von ihr bei der Klägerin, einer Bank, unterhaltene Konto, um prüfen zu können, ob A aufgrund regelmäßiger Abhebungen von dem Konto genügend Mittel zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts zur Verfügung gestanden hatten. Andernfalls waren nach Ansicht des Prüfers Hinzuschätzungen zu den von A erklärten steuerpflichtigen Einnahmen vorzunehmen. Da A die Kontoauszüge nach ihren Angaben nicht aufbewahrt hatte, verlangte das FA von der Klägerin gem. § 97 Abs. 1 bis 3 AO die Vorlage der Kontoauszüge für den Zeitraum August 2002 bis September 2004 in lesbar gemachter Form. Zur Begründung führte es aus, A sei einem Vorlageverlangen nicht nachgekommen und eine Sachverhaltsaufklärung sei deshalb unmöglich.

Die Klägerin lehnte die begehrte Vorlage unter Verweis auf § 97 Abs. 2 S. 1 AO und ein bisher fehlendes Auskunftsersuchen nach § 93 AO ab. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob sie gestützt auf § 97 Abs. 2 S. 1 AO Klage vor dem FG.

Das FG (FG Köln vom 13.08.2008, 4 K 4618/07, Haufe-Index 2039227, EFG 2008, 1760) wies die Klage als unbegründet ab. Das FA habe ermessensfehlerfrei die Vorlage der angeforderten Kontoauszüge verlangt. Die angeforderten Kontoauszüge seien für die Besteuerung anderer Personen als der Klägerin benötigt worden und erforderlich gewesen, weil zur Erstellung einer Geldverkehrsrechnung und zur Klärung, ob A über die erklärten Einnahmen hinaus weitere Einnahmen zuzurechnen seien, nur die Anforderung von Kontoauszügen und deren Prüfung geeignet gewesen sei.

 

Entscheidung

Dieser Auffassung ist jetzt der BFH entgegengetreten, indem er auf die Revision der Klägerin die Vorentscheidung sowie das angegriffene Vorlageverlangen in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufhob.

 

Hinweis

1. Zunächst sollte kein Zweifel darüber bestehen, weshalb die Beteiligten einen Rechtsstreit bis vor den BFH geführt haben: In der Sache ging es ihnen nämlich um das Grundsatzproblem, dass auf § 93 AO gestützte Auskunftsersuchen nach § 107 AO zu einem Entschädigungsanspruch des Auskunftspflichtigen führen, während das Gesetz einen solchen Anspruch bei Herausgabeverlangen nach § 97 AO nicht kennt. Insoweit ging es den Beteiligten weniger um die Lösung des Streitfalls als um die Frage, wer den am Ende für die (ggf. massenweise) Lesbarmachung von archivierten Kontounterlagen aufkommen muss. Vor dem Hintergrund dieser Frage darf man das Judikat des BFH sicherlich als wichtige Grundsatzentscheidung ansehen.

2. Wichtig ist zunächst die Abgrenzung zwischen beiden Aufklärungsmaßnahmen: Ein reines Vorlageverlangen i.S.d. § 97 AO liegt nach gefestigter Rechtsprechung nur dann vor, wenn keinerlei eigenes Wissen des in Anspruch Genommenen – als Vorfrage der Vorlage von Urkunden – abgefragt bzw. darauf (unausgesprochen) zurückgegriffen werden muss. Die begehrte Urkundenvorlage darf auch nicht inzident einer Auskunft gleichkommen, wie sie in anderen Verfahren ein Zeuge bekundet. Hat das FA die vorzulegenden Unterlagen durch Nennung des betroffenen Kontos sowie des Vorlagezeitraums so konkret und eindeutig benannt, dass sich die geforderte Tätigkeit des Vorlageverpflichteten auf rein mechanische Hilfstätigkeiten wie das Heraussuchen und Lesbarmachen der angeforderten Unterlagen beschränkt, so liegt ein Vorlageverlangen i.S.d. § 97 Abs. 1 S. 1 AO vor.

3. Im Streitfall verstieß das Vorlageverlangen allerdings gegen § 97 Abs. 2 S. 1 AO, wonach die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen, Geschäftspapieren und anderen Urkunden i.d.R. erst dann verlangt werden soll, wenn der Vorlagepflichtige eine Auskunft nicht erteilt hat, die Auskunft unzureichend ist oder Bedenken gegen ihre Richtigkeit bestehen.

a) Der BFH stellt dazu jetzt klar, dass § 97 Abs. 2 S. 1 AO der Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dient. Die Finanzbehörden müssen deshalb einen Sachverhalt in erster Linie durch die Einholung von Auskünften aufklären und ist das Vorlageverlangen grundsätzlich lediglich hilfsweise zulässig, weil Aufklärungsmaßnahmen Eingriffscharakter haben und deshalb unter mehreren Alternativen das mildeste Mittel auszuwählen ist. Der Gesetzgeber ist insoweit in § 97 Abs. 2 S. 1 AO in Ausgestaltung des verfassungsrechtlich verankerten Grundsatzes der Erforderlichkeit davon ausgegangen, dass die Verpflichtung zur Auskunftserteilung nach § 93 AOregelmäßig das weniger belastende Mittel als die Verpflichtung zur Vorlage von Urkunden ist. Diese Annahme beruht – wie letztlich auch § 107 S. 1 AO zeigt – nicht etwa auf einem vom Gesetzgeber unterstellten geringeren kostenmäßigen Aufwand der um Auskunft...

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