Leitsatz

1. Die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG setzt voraus, dass der Übertragende seine bisherige gewerbliche Tätigkeit einstellt. Daran fehlt es, wenn die einzige wesentliche Betriebsgrundlage aufgrund des vorbehaltenen Nießbrauchs vom bisherigen Betriebsinhaber weiterhin gewerblich genutzt wird (Bestätigung der BFH-Urteile vom 2. September 1992, XI R 26/91, BFH/NV 1993, 161, und vom 12. Juni 1996, XI R 56, 57/95, BFHE 180, 436, BStBl II 1996, 527; in Abgrenzung zur Rechtsprechung zur Übertragung eines land‐ und forstwirtschaftlichen Betriebs, vgl. BFH-Urteile vom 26. Februar 1987, IV R 325/84, BFHE 150, 321, BStBl II 1987, 772, und vom 7. April 2016, IV R 38/13, BFHE 253, 390, BStBl II 2016, 765).

2. Es ist insoweit unerheblich, ob ein aktiv betriebener oder ein verpachteter Betrieb unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen wird.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

M hatte von ihrem verstorbenen Ehemann E ein mit einer Gaststätte bebautes Grundstück geerbt. Da E die Aufgabe der ursprünglich von ihm betriebenen Gastwirtschaft nie erklärt hatte, sahen er und später M die Verpachtungseinkünfte als gewerbliche Einnahmen an.

Nach dem Tod der M übertrug E das Grundstück unter Nießbrauchvorbehalt auf den gemeinsamen Sohn K, setzte aber die Vermietung fort.

Das FA war der Auffassung, es sei ein Entnahmegewinn entstanden. M sah hingegen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 EStG als erfüllt an.

Ihre nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage war nicht erfolgreich. Das FG urteilte, das FA habe zu Recht den streitbefangenen Vorgang als (Zwangs-)Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 EStG behandelt und das Vorliegen der Voraussetzungen einer unentgeltlichen Betriebsübertragung gemäß § 6 Abs. 3 EStG verneint (FG Münster, Urteil vom 18.9.2014, 13 K 724/11 E, Haufe-Index 7416136, EFG 2014, 2133).

 

Entscheidung

Die Revision war ebenfalls erfolglos. Der BFH konnte es dahinstehen lassen, ob M ihrem Sohn einen Betrieb oder lediglich ein Grundstück übertragen hatte, denn auch bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Betriebs hatte das FG zu Recht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 3 EStG als nicht erfüllt angesehen.

 

Hinweis

Wird ein Betrieb unentgeltlich unter Vereinbarung eines Vorbehaltsnießbrauchs übertragen, ist es erforderlich, dass der Übertragende seine bisherige gewerbliche Tätigkeit aufgibt. Mit dieser Entscheidung hat der X. Senat die Hoffnungen enttäuscht, die anderslautende Rechtsprechung des IV. Senats zur Betriebsübergabe im Bereich der LuF könne auch für die unentgeltliche Übertragung eines Gewerbebetriebs gelten.

1.§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG setzt voraus, dass der Übertragende seine bisherige gewerbliche Tätigkeit einstellt. Daran fehlt es, wenn der Übertragende die einzige wesentliche Betriebsgrundlage aufgrund des ihm vorbehaltenen Nießbrauchs weiterhin selbst vermietet und verpachtet. Die diesbezügliche höchstrichterliche Rechtsprechung, die zur Vorgängervorschrift § 7 Abs. 1 EStDV ergangen ist, gilt auch für die unentgeltliche Übertragung eines Gewerbebetriebs gemäß § 6 Abs. 3 EStG.

Der X. Senat sah keine Möglichkeit, auf die Einstellung der Tätigkeit des Übertragenden als Voraussetzung für eine steuerneutrale unentgeltliche Betriebsübertragung zu verzichten und die Anforderungen an eine Übertragung gemäß § 6 Abs. 3 EStG normenspezifisch einzuschränken, um so die unentgeltliche Übertragung eines Betriebs unter dem Vorbehalt eines Nießbrauchs steuerneutral zu ermöglichen.

Nach seiner Auffassung ist es konsequent, weiterhin zu fordern, dass der übertragende Betriebsinhaber auch bei einer unentgeltlichen Betriebsübertragung seine bisherige gewerbliche Tätigkeit einstellt, ebenso wie er sie bei einer entgeltlichen Betriebsübergabe, der Betriebsveräußerung gemäß § 16 Abs. 1 EStG, zu beenden hat.

Die Auslegung des § 6 Abs. 3 EStG, aufgrund dessen ausnahmsweise auf die Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven verzichtet wird, muss sich am eigentlichen Zweck der Steuerverschonung, der Bewahrung der wirtschaftlichen Einheit und damit des übertragenen Betriebs, messen lassen.

Diese wirtschaftliche Einheit ist untrennbar mit der Tätigkeit des jeweiligen Betriebsinhabers für diesen Betrieb verbunden. Wird der neue Betriebsinhaber nicht in die Lage versetzt, die gewerbliche Tätigkeit fortzusetzen, weil der frühere Betriebsinhaber weiterhin unter Einsatz des übertragenen Betriebsvermögens gewerblich tätig ist, kann eine wirtschaftliche Einheit nicht übergegangen sein.

2. Die Rechtsprechung des IV. Senats des BFH zum Vorbehaltsnießbrauch bei der unentgeltlichen Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs (BFH, Urteil vom 7.4.2016, IV R 38/13, BFH/NV 2016, 1365, BFH/PR 2016, 298, BStBl II 2016, 765) kann nicht auf den unentgeltlichen Übergang eines Gewerbebetriebs gemäß § 6 Abs. 3 EStGübertragen werden.

Dies zeigen schon die Unterschiede bei der entgeltlichen Betriebsübergabe. Anders als bei der Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gemäß § 14 EStG (vgl. EStH 2015, H 14 Stichwort Rückverpa...

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