Leitsatz

Bei festverzinslichen Wertpapieren, die eine Forderung in Höhe des Nominalwerts der Forderung verbriefen, ist eine Teilwertabschreibung unter ihren Nennwert allein wegen gesunkener Kurse regelmäßig nicht zulässig. Dies gilt auch dann, wenn die Wertpapiere zum Umlaufvermögen gehören.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2 S. 1 bis 3 EStG 2002

 

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Kreditinstitut in der Rechtsform einer eG, hielt am 31.12.2007 in ihrem Umlaufvermögen u.a. festverzinsliche Wertpapiere. Die Kurswerte von einigen dieser Wertpapiere waren an dem genannten Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten gesunken; sie beliefen sich bei verschiedenen Papieren auf mehr und bei anderen auf weniger als 100 % des Nominalwerts.

Am 11.01.2008 stellte die Klägerin ihre Bilanz für das Streitjahr auf. Bis zu diesem Tag hatten sich die Kurse verschiedener Papiere seit dem Bilanzstichtag erholt. Bei einzelnen Papieren war es in der Zeit zwischen dem 31.12.2007 und dem 11.01.2008 zunächst zu Kurserholungen und später zu Kursrückgängen gekommen, durch die die zunächst eingetretenen Wertsteigerungen teilweise rückgängig gemacht worden waren.

Das FA ging davon aus, dass die in Rede stehenden Wertpapiere in der Steuerbilanz der Klägerin mit den höchsten in der Zeit zwischen dem 31.12.2007 und dem 11.01.2008 erreichten Kurswerten anzusetzen seien.

Das FG gab der Klage teilweise statt (FG Münster, Urteil vom 09.07.2010, 9 K 75/09 K, Haufe-Index 2565630, EFG 2011, 221): Es entschied, dass bei der Bewertung der übrigen Wertpapiere am Tag der Bilanzaufstellung erreichte höhere Kurswerte zu berücksichtigen seien. Für die Bilanzierung unbeachtlich seien dagegen zwischenzeitliche Kurserholungen, die sich bis zur Aufstellung der Bilanz wieder verflüchtigt hätten

 

Entscheidung

Der BFH wies die Klage im Ergebnis – auf Revision sowohl der Klägerin als auch des FA – vollends ab: Es fehle bei festverzinslichen Wertpapieren an einer "voraussichtlich dauernden" Wertminderung, soweit die Kurswerte der Papiere unter deren Nominalwert abgesunken seien oder schon vor ihrem (weiteren) Absinken unter jenem Wert gelegen hätten (entgegen BMF-Schreiben vom 25.02.2000, BStBl I 2000, 372, Tz. 24 f.)

Das Abstellen auf die gesicherte Aussicht des Gläubigers, am Fälligkeitstag den Nennbetrag zu erhalten, widerspricht nicht der bisherigen Rechtsprechung des BFH zur Frage der "voraussichtlich dauernden Wertminderung".

 

Hinweis

1. Durch Urteil vom 26.09.2007, I R 58/06 (BStBl II 2009, 294, BFH/NV 2008, 432, BFH/PR 2008, 138) musste der BFH sich erstmals mit der Frage auseinandersetzen, wann und unter welchen Umständen von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 gesprochen werden kann, und zwar – seinerzeit – bezogen auf die Situation bei börsennotierten Aktien, die als Finanzanlage gehalten wurden.

Der BFH entschied, von einer derartigen Wertminderung sei auszugehen, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter die Anschaffungskosten gesunken ist und zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung keine konkreten Anhaltspunkte für eine alsbaldige Wertaufholung vorliegen.

Damit stellte er sich gegen die Praxis der Finanzverwaltung (im BMF-Schreiben vom 25.02.2000, BStBl I 2000, 372 Tz. 11), welche (dort in Tz. 11) in dem Börsenkurs "im Zweifel" nur eine bloße vorübergehende Wertschwankung sehen wollte, der insoweit keine sonderliche Ausdruckskraft zukomme. Die Wertentwicklung sei über einen Prognosezeitraum zu beobachten, der jedenfalls nicht unter 10 Jahren liegen dürfe.

2. Die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 26.03.2009, BStBl I 2009, 514) wendet dieses Urteil des BFH prinzipiell an. Allerdings: Die vom BFH in dem Urteil offen gelassene Frage der Behandlung von Wertveränderungen innerhalb einer gewissen "Bandbreite" soll durch eine zeitliche und rechnerische Komponente auszufüllen sein. Von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung sei demnach nur dann auszugehen, wenn der Börsenkurs von börsennotierten Aktien zu dem jeweils aktuellen Bilanzstichtag um mehr als 40 % unter die Anschaffungskosten oder zu dem jeweils aktuellen Bilanzstichtag und dem vorangegangenen Bilanzstichtag um mehr als 25 % unter die Anschaffungskosten gesunken ist. Zusätzliche Erkenntnisse bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Handels- bzw. Steuerbilanz sollen zu berücksichtigen sein.

Ob sich diese selbst geschaffenen Schwellenwerte als tragfähig erweisen oder aber, ob sie der typisierenden Vereinfachung, die dem BFH vor Augen stand, als er strikt auf den Stichtagswert abstellte, widersprechen, ist Gegenstand weiterer Revisionsverfahren, über die alsbald zu entscheiden sein wird: Az. I R 89/10 (gegen FG Münster, Urteil vom 31.08.2010, 9 K 3466/09 K,G, Haufe-Index 2529531, EFG 2011, 124) sowie Az. 7/11 (gegen FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.12.2010, 1 K 2237/07, Haufe-Index 2621235, EFG 2011, 953).

3. Im konkreten Urteilsfall ging es nun darum, ob jene Rechtsgrundsätze sich eins zu eins auf festverzinsliche Wertpapiere übertrage...

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