Leitsatz

1. Sind bei einer Mehrgefahrenversicherung ("Versicherungspaket") einzelne Versicherungen nach § 4 VersStG von der Besteuerung ausgenommen, kann eine Steuerbefreiung nur in Anspruch genommen werden, wenn das auf die steuerfreie Versicherung entfallende Versicherungsentgelt im Versicherungsvertrag gesondert ausgewiesen ist.

2. "Laufender Anmeldungszeitraum" i.S.d. § 10 Abs. 4 VersStG ist jeder Anmeldungszeitraum nach Abschluss der Außenprüfung.

3. Mit einem Nachforderungsbescheid gem. § 167 Abs. 1 Satz 1 AO gegen den Versicherer wegen Versicherungsteuer macht die Finanzbehörde materiell-rechtlich einen Haftungsanspruch geltend. Wegen der Akzessorietät des Haftungsanspruchs ist der Erlass eines Nachforderungsbescheids nur rechtmäßig, wenn die Steuerschuld, für die der Versicherer als Entrichtungsschuldner haftet, entstanden ist und noch besteht.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 5, § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 6 Abs. 1, § 7, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 4 VersStG, § 150 Abs. 1 Satz 3, § 155, § 167 Abs. 1, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 171 Abs. 4 Satz 1 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin vertrieb von 2000 bis 2004 Reiseversicherungspakete, die u.a. eine Auslandsreisekrankenversicherung umfassten und für die jeweils eine Gesamtprämie zu zahlen war. Intern erfasste die Klägerin die Prämie buchhalterisch nach Versicherungsarten voneinander getrennt. In den Versicherungsteueranmeldungen blieben die kalkulatorisch auf die Auslandsreisekrankenversicherung entfallenden Entgeltanteile unberücksichtigt. Nach einer Außenprüfung erging gegen die Klägerin ein Versicherungsteuerbescheid, mit dem in einem Gesamtbetrag neben der Versicherungsteuer für September 2006 auch Versicherungsteuer für Januar 2000 bis Dezember 2004 mit der Begründung nachgefordert wurde, die Voraussetzungen des § 4 Nr. 5 VersStG seien bezüglich der Auslandskrankenversicherung nicht erfüllt. Die nach erfolglosem Einspruch eingelegte Klage hatte Erfolg, weil das Entgelt für die Auslandskrankenversicherung gem. § 4 Nr. 5 VersStG steuerfrei sei (FG München, Urteil vom 21.4.2010, 4 K 3009/07, Haufe-Index 2346326, EFG 2010, 1747).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung, wie unter den Praxis-Hinweisen dargestellt, auf und verwies die Sache an das FG zurück. Dieses hat zu prüfen, in welcher Höhe die nachgeforderte Versicherungsteuer auf den nicht festsetzungsverjährten Zeitraum entfällt.

 

Hinweis

1. Das Entgelt für zahlreiche Versicherungen ist nach § 4 VersStG steuerfrei. Die Anwendung der Steuerbefreiung führt zu Rechtsproblemen, wenn ein ­Versicherer in einem "Versicherungspaket" verschiedene Risiken abdeckt (sog. Mehrgefahrenversicherungen), von denen lediglich einzelne Risiken (z.B. Krankenversicherung, § 4 Nr. 5 VersStG) versicherungsteuerfrei sind. In diesem Fall ist das entsprechende Versicherungsentgelt unproblematisch steuerbefreit, wenn dieses im Versicherungsvertrag gesondert ausgewiesen wird.

Häufig – so auch in dem vom BFH entschiedenen Fall – wird aber das gesamte Entgelt der Mehrgefahrenversicherung ohne gesonderten Ausweis des auf die steuerfreie Versicherung entfallenden Teilentgelts in einem Betrag berechnet. Bei einer solchen Handhabung kann die (anteilige) Steuerbefreiung nicht gewährt werden. Dies liegt in den spezifischen Gegebenheiten der Versicherungsteuer als Verkehr­steuer begründet. § 4 VersStG verlangt mit dem ­vorausgesetzten Versicherungsentgelt "für" eine Versicherung eine entsprechende eindeutige vertragliche Festlegung im Voraus, zumal auch für den Versicherungsnehmer als Steuerschuldner (§ 7 Abs. 1 Satz 1 VersStG) die Höhe seiner Steuerschuld erkennbar sein muss. Die interne Kalkulation des Versicherers für den auf die steuerbefreite Versicherung entfallenden Prämienanteil ist für § 4 VersStG ohne Bedeutung.

Der Begründungsansatz des BFH steht im Gegensatz zu dem jetzt bekannt gewordenen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Versicherungsteuergesetzes und des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (Verkehrsteueränderungsgesetz – VerkSt­ÄndG – Stand 16.12.2011, abrufbar auf der Internetseite des BMF). Bei Versicherungspaketen soll nach § 4 Abs. 2 VersStG i.d.F. des VerkStÄndG-Entwurfs eine (teilweise) Steuerbefreiung nur bei Vorliegen eines "rechtlich selbstständigen Versicherungs­vertrags" eintreten. Die für die Selbstständigkeit des Versicherungsvertrags maßgebenden Merkmale dürften freilich der Praxis erhebliche Auslegungsschwierigkeiten bereiten. Auch verlangt das VersStG keinesfalls, einer versicherungsvertraglichen Qualifikation der Mehrgefahrenversicherung zu folgen.

2. Ergeht nach der Steueranmeldung des Versicherers gegen ihn ein Nachforderungsbescheid für Versicherungsteuer, gelten verfahrensrechtliche Besonderheiten.

a) Nach § 10 Abs. 4 VersStG sind aufgrund einer Außenprüfung nachzuentrichtende Steuerbeträge aus Vereinfachungsgründen zusammen mit der Steuer für den laufenden Anmeldungszeitraum festzusetzen. Mit dieser Vorschrift ist jedoch kein bestimmter Anmeldungszeitraum festgelegt, sodass "laufender Anmeldungsze...

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