Leitsatz

1. Im Rahmen des nach § 10d EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 zu beurteilenden Rücktrags eines 1999 erzielten Verlusts in den Veranlagungszeitraum 1998 ist § 2 Abs. 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/­2002 nicht anzuwenden (entgegen R 115 Abs. 6 EStR 1999).

2. Voraussetzung für einen Rücktrag von negativen Einkünften ist nach § 10d Abs. 1 S. 1 EStG, dass diese bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte tatsächlich nicht ausgeglichen werden.

 

Normenkette

§ 10d EStG

 

Sachverhalt

Herr K erzielte im Jahr 1998 unterschiedliche Einkünfte und beantragte, einen Verlust aus dem Jahr 1999 in das Jahr 1998 zurückzutragen. Dieser Verlust war nach der damals gängigen Verwaltungsauffassung zu § 2 Abs. 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 errechnet worden. Nun wollte das FA auch im Jahr 1998 den § 2 Abs. 3 EStG i.d.F. StEntlG 1999/2000/2002 anwenden. Dagegen wehrte sich K erfolgreich vor dem FG (FG Köln, Urteil vom 08.12.2004, 14 K 3823/02, Haufe-Index 1305404, EFG 2005, 436). Im Rahmen des Revisionsverfahrens kam das FA aber auf eine neue, gar nicht fern liegende Idee: Wenn man nämlich § 2 Abs. 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 in der neuen Auslegung durch den BFH (auf unechte Verluste bezogen) anwendet, käme man im Verlustentstehungsjahr (1999) zu einem vermehrten Verlustausgleich, sodass logischerweise weniger zurückgetragen werden kann. Da man andererseits im Rücktragsjahr über den Verlustabzug entscheidet, müsste der Verlustausgleich im Sinn einer Schattenveranlagung nachvollzogen werden.

 

Entscheidung

Diese "Schatten" vertrieb der BFH, indem er den im Verlustentstehungsjahr tatsächlich durchgeführten Verlustausgleich für maßgeblich hält.

 

Hinweis

Dies ist eine Entscheidung im Nachgang zum Grundsatzurteil vom 09.03.2011, IX R 72/04 (BFH/NV 2011, 1219), über die wir in BFH/PR 2011, 293 berichteten und die im Leitsatz 2 systematisch Neues zum Verlustrücktrag ausführt.

1. Nach § 10d Abs. 1 S. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 sind negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, bis zu einem Betrag von 2 Mio. DM vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen. Dieser Grundsatz wird durch Abs. 1 S. 2 und 3 der Vorschrift dahin eingeschränkt, dass die negativen Einkünfte zunächst von den positiven Einkünften derselben Einkunftsart abzuziehen sind, die "nach der Anwendung des § 2 Abs. 3 EStG verbleiben". Soweit in diesem Veranlagungszeitraum "durch einen Ausgleich nach § 2 Abs. 3 S. 3" oder einen Verlustvortrag nach § 10d Abs. 2 S. 3 EStG die dort genannten Beträge nicht ausgeschöpft sind, mindern die nach § 10d Abs. 1 S. 2 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 verbleibenden negativen Einkünfte die positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten bis zu einem Betrag von 100 000 DM, darüber hinaus bis zur Hälfte des 100 000 DM übersteigenden Teils der Summe der positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten.

§ 2 Abs. 3 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist allerdings im Rahmen des nach § 10d EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 zu beurteilenden Rücktrags eines 1999 erzielten Verlusts in den Veranlagungszeitraum 1998 nicht anwendbar (siehe die Grundsatzentscheidung in BFH/PR 2011, 293).

2. Allerdings sind die neuen Maßstäbe zur Anwendbarkeit des § 2 Abs. 3 EStG aufgrund des Grundsatzurteils des BFH vom 09.03.2011, IX R 56/05, (BFH/NV 2011, 1221 = BFH/PR 2011, 294) im Jahr 1999 anzuwenden. Damit wären in größerem Umfang negative Einkünfte ausgleichbar als bisher. Was folgt daraus für das Rücktragsjahr 1998, wenn man bedenkt, dass in diesem Jahr materiell über den Verlustabzug entschieden wird. Muss also im Rahmen einer "Schattenrechnung" auch ein (geänderter) Verlustausgleich nachvollzogen werden?

Nein, so der BFH. Denn nach § 10d Abs. 1 S. 1 stehen für den Verlustrücktrag in das Vorjahr solche negativen Einkünfte zur Verfügung, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte "nicht ausgeglichen werden". Erforderlich für einen Verlustrücktrag ist danach, dass es an einem tatsächlichen Ausgleich der genannten negativen Einkünfte fehlt. Ändert sich der (tatsächliche) Ausgleich der negativen Einkünfte im Verlustentstehungsjahr, ist auch der Verlustrücktrag zu ändern (§ 10d Abs. 1 S. 5 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002).

Ein (nach materiellem Recht) geändertes Ausgleichspotenzial aus dem Verlustentstehungsjahr 1999 kommt also nicht schon im Wege einer "Schattenrechnung", sondern nur dann in Betracht, wenn für dieses Jahr ein geänderter ESt-Bescheid ergeht, in dem die negativen Einkünfte in größerem Maße als bisher – tatsächlich – ausgeglichen werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.08.2011 – IX R 53/05

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