Leitsatz

1. Auch bei einer sog. Nullfestsetzung liegt für eine Anfechtungsklage gegen einen Festsetzungsbescheid eine Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO) vor, soweit in diesem Bescheid über eine Besteuerungsgrundlage entschieden wird und insoweit über § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG eine inhaltliche Bindung für ein Verlustfeststellungsverfahren ausgelöst wird.

2. Eine Erwerbergruppe (§ 8c Abs. 1 Satz 3 KStG) im Hinblick auf einen schädlichen Beteiligungserwerb i.S. des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG liegt nur dann vor, wenn mehrere Erwerber bei dem (auch mittelbaren) Erwerb von Anteilen an der Verlustgesellschaft zusammenwirken und sie auf der Grundlage einer im Erwerbszeitpunkt bestehenden Absprache im Anschluss an den Erwerb einen beherrschenden Einfluss in dieser Gesellschaft ausüben können. Die Möglichkeit des Beherrschens genügt nicht. Die Feststellungs- und Beweislast trägt die Finanzbehörde.

 

Normenkette

§ 8c Abs. 1 Sätze 2 und 3 KStG, § 10d Abs. 4 Sätze 1 und 4 EStG, § 10a Sätze 6 und 10, § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG, § 40 Abs. 2 FGO

 

Sachverhalt

An der klagenden (beteiligungsverwaltenden) GmbH war u.a. die A GmbH (zu 53 %) beteiligt. Andere Gesellschafter waren u.a. (teilweise vermittelt durch Beteiligungsgesellschaften) vier Firmengruppen bzw. Familienstämme (B, C, D, E) mit einer Beteiligung von jeweils 10,38 %.

Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2010 einen Verlust; zum 31.12.2009 war für sie ein verbleibender Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer bzw. ein vortragsfähiger Gewerbeverlust festgestellt worden.

Am 1.7.2010 und am 30.8.2010 veräußerten die Gesellschafter der A GmbH ihre Anteile zu jeweils 33,33 % an B, C und E, sodass diese Käufer mittelbar zugleich jeweils 17,67 % der Anteile an der Klägerin erwarben.

Das FA meinte, bei den drei Erwerbern handele es sich um eine Gruppe von Erwerbern mit gleichgerichteten Interessen i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG mit der Folge, dass die bis August 2010 nicht genutzten Verluste gemäß § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG vollständig nicht mehr abziehbar seien. Dementsprechend seien im Streitjahr zeitanteilig 8/12 der laufenden Verluste und der auf den 31.12.2009 festgestellte verbleibende Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer sowie der vortragsfähige Gewerbeverlust nicht mehr abziehbar.

Die Klage gegen die auf jeweils 0 EUR lautenden Festsetzungen zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag für 2010 bzw. gegen die Feststellungen des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer bzw. des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (jeweils zum 31.12.2010) war erfolgreich (Niedersächsisches FG, Urteil vom 26.2.2015, 6 K 424/13, Haufe-Index 8203586, EFG 2015, 1297).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA zurück.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung bietet Interessantes in zweierlei Hinsicht: Zunächst geht es um Rechtsschutzfragen (Beschwer bei Nullfestsetzung; Beschwer bei Verlustkürzung), alsdann um den sachlichen Anwendungsbereich des § 8c KStG.

2. Verfahrensrechtliches

Zur Beschwer (§ 40 Abs. 2 FGO) bei "Nullfestsetzung" wird zunächst das gesagt, was bereits in den BFH-Urteilen vom 6.12.2016 (I R 79/15, BFH/NV 2017, 851, BFH/PR 2017, 232) und vom 7.12.2016 (I R 76/14, BFH/NV 2017, 847, BFH/PR 2017, 229) zu lesen ist: Dabei kann eine Beschwer bei Verlustkürzung nach § 8c KStG in bestimmten Konstellationen (wie hier: sog. unterjähriger schädlicher Beteiligungserwerb) sowohl im Ertragsteuer- als auch im Verlustfeststellungsbescheid ausgelöst werden. Dies bestimmt den Weg für einen zulässigen Rechtsbehelf.

Dazu wird bislang danach unterschieden, ob im Steuerbescheid für das Jahr des schädlichen Beteiligungserwerbs nach ("gekürztem") Verlustabzug eine Steuerlast verbleibt:

  • Ist dies der Fall, weil ein ausreichend hoher (den Verlustabzug übersteigender) Gesamtbetrag der Einkünfte vorliegt, wird die Entscheidung für den "laufenden Verlust" (bis zum evtl. unterjährigen Zeitpunkt des schädlichen Beteiligungserwerbs) und für einen Verlustabzug (i.S.d. § 10d EStG) im Steuerbescheid (mit Folgewirkung für den Verlustfeststellungsbescheid zum 31. Dezember dieses Jahres) getroffen.
  • Ansonsten erfolgt die Entscheidung im Verlustfeststellungsbescheid.

Dass auf der Grundlage von § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG eine inhaltlich verbindliche Regelung auch im Falle einer "Nullfestsetzung" vorliegen kann (s.o.), macht den Rechtsbehelf gegen den Verlustfeststellungsbescheid aber nicht unzulässig. Denn die Regelungswirkung des § 8c KStG bezieht sich auch auf den zum vorherigen Stichtag festgestellten verbleibenden Verlustvortrag, der dann, wenn im Jahr des schädlichen Beteiligungserwerbs ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte erzielt wird, nicht Gegenstand der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens im Rahmen der Steuerfestsetzung ist.

Insoweit wird eine verbindliche Entscheidung über die Kürzung des zum 31. Dezember des Vorjahres festgestellten verbleibenden Verlustvortrags bei der Ermittlung des zum 31. Dezember dieses Jahres festzustellenden Verlustvortrags erst im Feststellungsbescheid getroffen. Dieser Rechtsbehelf ist dahe...

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