Leitsatz

1. Für die Frage, ob ein Gehaltsverzicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn führt, kommt es maßgeblich darauf an, wann der Verzicht erklärt wurde.

2. Eine zum Zufluss von Arbeitslohn führende verdeckte Einlage kann nur dann gegeben sein, soweit der Steuerpflichtige nach Entstehung seines Gehaltsanspruchs aus gesellschaftsrechtlichen Gründen auf diese verzichtet, da in diesem Fall eine Gehaltsverbindlichkeit in eine Bilanz hätte eingestellt werden müssen (Bestätigung des Senatsurteils vom 15.5.2013, VI R 24/12, BFHE 241, 287, BStBl II 2014, 495).

3. Verzichtet der Steuerpflichtige dagegen bereits vor Entstehung seines Gehaltsanspruchs auf diesen, wird er unentgeltlich tätig und es kommt nicht zum fiktiven Zufluss von Arbeitslohn beim Gesellschafter-Geschäftsführer.

 

Normenkette

§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war mit 35 % an der A-GmbH (GmbH) beteiligt und deren alleiniger Geschäftsführer. In der Einkommensteuererklärung erklärte der Kläger einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 89.227 DM. Dagegen wies die beigefügte Lohnsteuerkarte einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 136.556,73 DM aus. Der Kläger erklärte diese Abweichung damit, dass sein Arbeitgeber in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei und er insoweit auf den Lohn verzichtet habe. Dazu legte er die Kopie einer zwischen der GmbH und ihm getroffenen Vereinbarung vom 16.1.1997 vor, wonach der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer zugunsten der Firma während eines Liquiditätsengpasses auf sein Gehalt verzichten könne.

Das FA legte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr den auf der Lohnsteuerkarte ausgewiesenen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 136.556 DM zugrunde. Der daraufhin erhobene Einspruch war erfolglos. Die Vereinbarung vom 16.1.1997 enthalte keinen im Voraus ausgesprochenen konkreten Gehaltsverzicht. Der Gehaltsanspruch sei mit Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung entstanden, sodass der Verzicht auf die Auszahlung des Lohns als Gehaltsverwendung zu beurteilen sei.

Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt (Hessisches FG, Urteil vom 15.8.2012, 12 K 2768/03).

 

Entscheidung

Auf die Revision des FA hob der BFH das angefochtene Urteil aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

 

Hinweis

1. Der Verzicht eines Gesellschafters auf seinen Vergütungsanspruch kann zum Zufluss des Forderungswerts führen, soweit mit ihm eine verdeckte Einlage erbracht wird (BFH, Beschluss vom 9.6.1997, GrS 1/94, BFH/NV 1997, 391, m.w.N.).

2. Als verdeckte Einlagen sind nur Wirtschaftsgüter geeignet, die das Vermögen der Kapitalgesellschaft vermehrt haben, sei es durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens, sei es durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens (BFH, Urteil vom 6.11.2003, IV R 10/01, BFH/NV 2004, 697, m.w.N.). Ob das Vermögen der Kapitalgesellschaft durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens oder durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens vermehrt ist, bestimmt sich nach Bilanzrecht.

3. Insofern ist maßgeblich, ob bzw. inwieweit im Zeitpunkt des jeweiligen Verzichts eine Gehaltsverbindlichkeit in eine Bilanz hätte eingestellt werden müssen, die zum Zeitpunkt des Verzichts erstellt worden wäre (vgl. BFH-Urteile vom 24.5.1984, I R 166/78, Haufe-Index 75091 – betreffend verdeckte Einlage bei Verzicht auf Zinsverbindlichkeiten und vom 15.5.2013, VI R 24/12, BFH/NV 2013, 1694, 2013, 394). Nur falls der Kläger im Vorhinein – vor Entstehung des jeweiligen Gehaltsanspruchs – verzichtet hätte, er mithin für den jeweiligen Monat von vornherein unentgeltlich tätig geworden wäre, wäre es nicht zur Vermögensmehrung bei der GmbH gekommen (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 22.11.1983, VIII R 133/82, Haufe-Index 510414 – zum Verzicht auf Pachtzahlungen in künftigen Jahren, sowie BFH, Urteil vom 14.3.1989, I R 8/85, Haufe-Index 6280). Andernfalls – bei einem Verzicht im Nachhinein – hätte die GmbH zunächst jeweils Gehaltsverbindlichkeiten passivieren müssen. Verzichtet der Geschäftsführer auf einen solchen bereits entstandenen Anspruch aus gesellschaftsrechtlichen Gründen, erbringt er insoweit, als seine Forderung im Zeitpunkt des Verzichts werthaltig ist, eine bei ihm zum Zufluss (§ 11 Abs. 1 EStG) führende verdeckte Einlage in die Kapitalgesellschaft (vgl. BFH, Beschluss vom 9.6.1997, GrS 1/94, BFH/NV 1997, 391).

4. Im zweiten Rechtsgang wird das FG deshalb insbesondere aufzuklären haben, wie und durch wen die Zahlung der Löhne und Gehälter bei der GmbH erfolgte und wer zu welchem Zeitpunkt wem die Anweisung erteilte, die streitigen Gehälter ausnahmsweise nicht auszuzahlen. Dazu hat sich der Kläger bislang nicht eingelassen. Denn das FG hat das Vorliegen einer verdeckten Einlage rechtsirrig allein deshalb verneint, weil der Verzicht nicht zum Wegfall einer zuvor passivierten Verbindlichkeit geführt und der Kläger deshalb sein Vermögen nicht in Beteiligungskapital umgeschichtet, sondern vielmehr selbst tatsächlic...

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