Systematisch stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn Einkünfte sowohl unter den Anwendungsbereich des Art. 7 OECD-MA als auch unter den eines anderen Artikels des DBA fallen. Erfüllen Einkünfte die Voraussetzungen einer anderen Einkunftsart des Abkommens, gehören sie zu dieser anderen Einkunftsart und nicht zu den Unternehmensgewinnen i. S. v. Art. 7 OECD-MA.[1] Dies gilt für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen nach Art. 6 OECD-MA, für Dividenden i. S. v. Art. 10 OECD-MA ("Dividenden"), für Zinsen i. S. v. Art. 11 OECD-MA ("Zinsen"), für Lizenzgebühren i. S. v. Art. 12 OECD-MA ("Lizenzgebühren (Steuerabzug)") und für andere Einkünfte i. S. v. Art. 21 OECD-MA. Eine Rückausnahme besteht jedoch aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts. Danach liegen Unternehmensgewinne i. S. v. Art. 7 OECD-MA vor, wenn die aus dem Betriebsstättenstaat stammenden Dividenden, Zinsen, Lizenzen oder anderen Einkünfte funktional der Betriebsstätte zuzuordnen sind. In diesen Fällen wird durch Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 2 OECD-MA der Vorrang der Regelung für Unternehmensgewinne vorgeschrieben. Hieraus folgt, dass bei einer funktionalen Zugehörigkeit zur Betriebsstätte ("Betriebsstätte (Gewinnzuordnung)") z. B. Zinsen im Betriebsstättenstaat unbeschränkt besteuert werden können und insoweit die durch das DBA vorgesehene Beschränkung der Quellensteuer nicht anzuwenden ist.

Zu beantworten bleibt die Frage, welche Tätigkeiten zu Unternehmensgewinnen führen. Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA fällt darunter die Ausübung einer Geschäftstätigkeit, die auch eine freiberufliche oder sonstige selbstständige Tätigkeit umfasst.[2]

Bei Kapitalgesellschaften beginnt die unternehmerische Tätigkeit mit der Eintragung in das Handelsregister. Hinsichtlich der Vorstadien einer Kapitalgesellschaft, z. B. der Vorgesellschaft und der Vorgründungsgesellschaft, ist festzustellen, dass die unternehmerische Tätigkeit mit dem Stadium der Vorgesellschaft beginnt. Dagegen übt die Vorgründungsgesellschaft keine unternehmerische Tätigkeit aus, da sie mit der Errichtung der Kapitalgesellschaft und weiteren, internen Fragen und Aspekten beschäftigt ist.[3] Wenn es nicht zur Eintragung der Kapitalgesellschaft kommt, bleibt es m. E. bei der Ausübung der Unternehmenstätigkeit der Vorgründungsgesellschaft, doch wird diese steuerlich wie eine Mitunternehmerschaft behandelt und die Einkünfte werden anteilig den Gesellschaftern zugerechnet.

[1] Art. 7 Abs. 7 OECD-MA, der den Vorrang anderer Verteilungsnormen anordnet.
[3] Hemmelrath, in Vogel/Lehner, DBA, 2015, Art. 7 OECD-MA Rz. 26.

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