Leitsatz

Es reicht aus, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich der Formerfordernisse für die Einlegung eines Einspruchs den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergibt.

 

Normenkette

§ 355 Abs. 1 Satz 1, § 356 Abs. 1, § 357 Abs. 1 AO

 

Sachverhalt

Das FA übersandte dem Kläger Steuerbescheide, deren Rechtsbehelfsbelehrungen hinsichtlich der Form der Einspruchseinlegung den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiederholten. Daneben enthielten die Bescheide die E-Mail-Adresse des FA. Der Kläger legte erst einige Monate nach Bekanntgabe der Bescheide Einsprüche ein, die das FA wegen der Verletzung der Einspruchsfrist als unzulässig verwarf. Der Kläger machte demgegenüber geltend, die Rechtsbehelfsbelehrungen seien unvollständig gewesen, sodass die Jahresfrist gem. § 356 Abs. 2 AO anzuwenden sei. Das FG hob die Einspruchsentscheidung auf. Der Einspruch sei fristgerecht eingegangen, da aufgrund des fehlenden Hinweises in den Rechtsbehelfsbelehrungen auf die Möglichkeit der Einlegung eines Einspruchs per E-Mail die Jahresfrist gem. § 356 Abs. 2 AO zum Tragen komme (Niedersächsisches FG, Urteil vom 24.11.2011, 10 K 275/11, Haufe-Index 2859260, EFG 2012, 292).

 

Entscheidung

Die Revision des FA führte aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen zur Aufhebung des Urteils und zur Abweisung der Klage.

 

Hinweis

1. Nach dem III. Senat (Beschluss vom 2.2.2010, III B 20/09, BFH/NV 2010, 830) und dem I. Senat (Beschluss vom 12.12.2012, I B 127/12, BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272) hat nun auch der X. Senat entschieden, dass es hinsichtlich der Anforderungen an die Form der Einspruchseinlegung ausreicht, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung eines Steuerbescheides den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergibt.

Damit verlängert sich die Einspruchsfrist nicht gem. § 356 Abs. 2 Satz 1 AO auf ein Jahr seit Bekanntgabe des Bescheides, wenn in der Rechtsbehelfsbelehrung ein Hinweis fehlt, dass der Einspruch nicht nur schriftlich, sondern auch per E-Mail eingelegt werden kann.

2.Die Rechtsbehelfsbelehrung muss zwar dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz Rechnung tragen, soll aber auch so einfach und klar wie möglich sein. Unrichtig ist eine Belehrung daher erst dann, wenn sie in wesentlichen Aussagen unzutreffend oder derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch – bei objektiver Betrachtung – die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint.

3. Über die Form des Einspruchs selbst ist nicht (zwingend) zu belehren. Allerdings muss eine Rechtsbehelfsbelehrung auch Angaben, die nicht zwingend vorgeschrieben sind, richtig, vollständig und unmissverständlich darstellen.

4. Das ist der Fall, wenn der Wortlaut der insoweit maßgeblichen gesetzlichen Vorschrift wiedergegeben wird.

5.Die Frage, ob in der Rechtsmittelbelehrung des FA ausdrücklich auf die Einspruchseinlegung per E-Mail hinzuweisen ist, ist Gegenstand weiterer BFH-Verfahren vor anderen, bislang nicht mit diesem Problem beschäftigten Senaten, so z.B. vor dem VIII. Senat (VIII R 33/12), dem IV. Senat (IV R 18/13) und dem VI. Senat (VI R 65/13). Ob diese Senate von der im Ergebnis übereinstimmenden Rechtsprechung dreier Senate abweichen und den Großen Senat anrufen werden, bleibt abzuwarten, ist m.E. aber nicht sehr wahrscheinlich.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.11.2013, X R 2/12BFH, Urteil vom 20.11.2013 – X R 2/12

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