Leitsatz

1. Freiwillige Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretungstätigkeit sind keine Trinkgelder i.S.d. § 3 Nr. 51 EStG, sondern steuerpflichtiger Arbeitslohn.

2. Die rechtliche Ausgestaltung des Notarberufs schließt es aus, freiwillige Zahlungen von Notaren an Notarassessoren für deren Vertretung als Trinkgelder i.S.d. § 3 Nr. 51 EStG anzusehen. Es liegt insbesondere kein Kunden- oder kundenähnliches Verhältnis vor, wie es der Begriff des Trinkgelds, der auch § 3 Nr. 51 EStG zugrunde liegt, voraussetzt.

3. Notarassessoren gehören nicht zu der typischen Berufsgruppe, in der Arbeitnehmertrinkgelder traditionell einen flankierenden Bestandteil der Entlohnung darstellen.

 

Normenkette

§§ 3 Nr. 51, 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, §§ 1, 39 Abs. 1 und Abs. 4, 65, 66 Abs. 1 Satz 1, 67, 92 Nr. 1, 93 Abs. 1, 113 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 6 BnotO, § 4 Abs. 3 Satz 2 Abgabensatzung der Ländernotarkasse Anstalt des öffentlichen Rechts

 

Sachverhalt

Notarassessorin K hatte diverse Notare z.B. in Urlauben vertreten. Dafür hatte K von den vertretenen Notaren Geld (insgesamt 1.000 EUR) erhalten, ohne dass K einen Anspruch darauf hatte. Die Zahlungen behandelte K in ihrer ESt-Erklärung als steuerbefreite Trinkgelder. Dagegen nahm das FA steuerpflichtige Lohneinkünfte an. Ks Klage blieb erfolglos (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 28.8.2013, 3 K 525/11, Haufe-Index 6446376, EFG 2014, 239).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte – wie in den Praxis-Hinweisen erläutert – die finanzgerichtliche Entscheidung.

 

Hinweis

1. Trinkgeld i.S.d. § 3 Nr. 51 ist ein gesetzlich nicht definierter aber von der Rechtsprechung typo­logisch umschriebener Begriff (BFH, Urteil vom 18.12.2008, VI R 49/06BFH/NV 2009, 479, BFH/PR 2009, 166): eine dem dienstleistenden Arbeitnehmer vom Kunden oder Gast gewährte zusätzliche freiwillige Vergütung, die eine gewisse persönliche Beziehung zwischen dem Arbeitnehmer und dem Dritten voraussetzt, nämlich eine typischerweise persönliche Zuwendung an den Bedachten als eine Art honorierende Anerkennung seiner dem Leistenden gegenüber erwiesenen Mühewaltung in Form eines kleineren Geldgeschenkes. Typischerweise stehen sich dabei Geldfluss und honorierte Leistung korrespondierend einander gegenüber, weil die durch die Zuwendung "belohnte" Dienstleistung dem Leistenden unmittelbar zugutekommt. Der BFH fasst dies im Begriff der "doppelten Leistungsbeziehung", gegründet auf dem "doppelten Entgelt", nämlich das Arbeitsentgelt des Arbeitgebers und das Trinkgeld des Kunden. Neuerdings verweist der BFH noch ergänzend auf Motive des Gesetzgebers: der sah durch die Trinkgeldbesteuerung insbesondere den Niedriglohnsektor betroffen, nämlich Berufe, bei denen Trinkgelder traditionell einen flankie­renden Bestandteil der Entlohnung darstellen (BT-Drucks. 14/9029, 3).

2. Das Urteil misst an dieser typologischen Beschreibung den Notarberuf mit dessen umfangreichen und strengen Rahmenbedingungen (einschließlich der dazu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG), die für Notare – aber auch für die seitens der Aufsichtsbehörde (§ 92 Nr. 1 BNotO) bestellten Notarvertreter (§ 39 Abs. 4 BNotO) – gelten, hier also für K. Danach steht der Notar als Träger eines öffentlichen Amtes (§ 1 BNotO) dem Beamten oder dem Richter nahe und erfüllt staatliche Aufgaben. Mit der Beurkundung von Rechtsvorgängen ist der Notar im Bereich der vorsorgenden, zur freiwilligen Gerichtsbarkeit gehörenden Rechtspflege tätig. Angesichts dieser rechtlichen Rahmenbedingungen für Amt und Funktion des Notars konnte der BFH kein zwischen den Notaren (einschließlich ihrer Vertreter) und der Aufsichtsbehörde bestehendes kundenähnliches Dienstleistungs- oder sonstiges Hauptvertragsverhältnis erkennen, zumal die Vertretung der Notare der geordneten Rechtspflege und nicht dem Schutz vor Umsatzrückgang dienen soll. Das trinkgeldtypische kundenähnliche Dienstleistungs- und Hauptvertragsverhältnis ließ sich auch nicht im Verhältnis der Notare zur Notarkammer, deren Zwangsmitglieder sie sind (§ 65 BNotO) oder zur Ländernotarkasse konstatieren. Dementsprechend lautete das Ergebnis: Die Zahlungen an die Notarvertreterin K, obwohl freiwillig erbracht, sind keine steuerfreien Trinkgelder i.S.d. § 3 Nr. 51 EStG, sondern steuerpflichtiger Arbeitslohn.

3. Demnächst wird sich der Lohnsteuersenat mit der Trinkgeldbesteuerung bei einem Saalassistenten einer Spielbank befassen (VI R 37/14).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 10.3.2015 – VI R 6/14

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