Leitsatz

Der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils unterliegt nicht der Tarifbegünstigung, wenn der Steuerpflichtige zuvor aufgrund einheitlicher Planung und im zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung einen Teil des ursprünglichen Mitunternehmeranteils ohne Aufdeckung der stillen Reserven übertragen hat.

 

Normenkette

§ 6 Abs. 3, § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 16 Abs. 1 Satz 2, § 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 34 Abs. 3 EStG

 

Sachverhalt

Ein Kommanditist, der auch an der Komplementär-GmbH der KG beteiligt war, hatte einen Teil seiner Kommanditbeteiligung zusammen mit dem entsprechenden Teil des Anteils an der Komplementär-GmbH seiner Ehefrau geschenkt, bevor er noch am gleichen Tag den verbliebenen Teil seiner Beteiligung an der KG und der GmbH an einen Dritten veräußerte. Das FA lehnte es ab, den erzielten Veräußerungsgewinn im Gewinnfeststellungsbescheid der KG als tarifbegünstigt auszuweisen.

Die deswegen von der KG erhobene Klage wies das FG ab (Hessisches FG, Urteil vom 15.8.2013, 1 K 2111/09, Haufe-Index 6003920, EFG 2013, 1924).

 

Entscheidung

Auch die Revision hatte keinen Erfolg. Der Gewinn aus der Veräußerung war nach Meinung des BFH nicht "außerordentlich" i.S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG.

 

Hinweis

1. Das Urteil enthält zusammen mit einem zweiten Urteil vom gleichen Tag (IV R 57/11, in diesem Heft) grundsätzliche Ausführungen zu der Frage, wann ein Veräußerungsgewinn der einkommensteuerlichen Tarifbegünstigung unterliegt (dazu unter 2.) und dass bei der Auslegung des § 34 EStG ein Gesamtplan zu berücksichtigen ist (dazu unter 3.).

2. Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils werden häufig verkürzt als Gewinn gemäß §§ 16, 34 EStG gekennzeichnet. Damit wird verdeckt, dass § 16 EStG und § 34 EStG jeweils eigene Tatbestandsvoraussetzungen beinhalten und unterschiedliche Regelungsziele verfolgen. § 16 EStG ordnet an, dass auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe der Einkunftsquelle zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört und enthält außerdem Regelungen zur Ermittlung des Gewinns. § 34 EStG enthält demgegenüber eine Steuervergünstigung für bestimmte außerordentliche Einkünfte, die dem in § 34 Abs. 1 EStG bzw. bei Vorliegen der dortigen Voraussetzungen dem in § 34 Abs. 3 EStG bestimmten begünstigten Tarif unterliegen.

Voraussetzung für die Tarifbegünstigung ist, dass es sich um "außerordentliche" Einkünfte handelt. Welche Einkünfte dem Grunde nach dafür in Betracht kommen, bestimmt § 34 Abs. 2 EStG. Die dort genannten Einkünfte sind aber nicht immer automatisch auch außerordentliche Einkünfte. Dass Einkünfte in § 34 Abs. 2 EStG genannt werden – dies gilt insbesondere nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG für Gewinne i. S. d. § 16 EStG – ist eine notwendige, nicht aber bereits ausreichende Voraussetzung für die Tarifbegünstigung. Die Außerordentlichkeit der Einkünfte muss hinzukommen. Im Fall der Gewinne gemäß § 16 EStG ist Voraussetzung für die Außerordentlichkeit, dass es zur geballten Aufdeckung der stillen Reserven in dem veräußerten Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil gekommen ist.

3. Wie der IV. Senat des BFH bereits mehrfach betont hat, ist die Übertragung eines Betriebs, Teilbe­triebs oder Mitunternehmeranteils immer zeitpunktbezogen zu würdigen. Die Voraussetzungen der an die Übertragung anknüpfenden Norm sind erfüllt, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen, die im Zeitpunkt der Übertragung zu dem Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil gehörten, übertragen worden sind. Im Urteilsfall hatte der Kommanditist zunächst einen Teil seines Mitunternehmeranteils unentgeltlich übertragen, was nach § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 EStG ohne Aufdeckung stiller Reserven vonstatten ging. Da er anschließend alle ihm noch verbliebenen wesentlichen Betriebsgrundlagen des Mitunternehmeranteils veräußert hatte, war dieser Vorgang unter § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu fassen: es wurde ein ganzer Mitunternehmeranteil veräußert.

4. Der Gewinn aus der Veräußerung ist tarifbegünstigt, wenn er außerordentlich ist, also zur Aufdeckung aller stillen Reserven geführt hat. Das wäre der Fall, wenn man auch unter diesem Aspekt strikt zeitpunktbezogen prüfen würde. Der Zweck des § 34 EStG, die Progression des ESt-Tarifs abzumildern, die nur eine Folge der geballten Aufdeckung aller stillen Reserven ist, macht es aber nach Meinung des BFH erforderlich, insoweit zu berücksichtigen, ob gezielt stille Reserven durch Buchwerttransfers aus der anschließend veräußerten Sachgesamtheit herausverlagert worden sind. War das der Fall, hat im Ergebnis keine geballte Realisierung aller stillen Reserven stattgefunden, sodass der von § 34 EStG verfolgte Zweck nicht erreicht werden kann.

Dagegen könnte man einwenden, dass der BFH doch in ständiger Rechtsprechung die Tarifbegünstigung nicht davon abhängig mache, dass bei der Veräußerung ein angemessener Kaufpreis gezahlt worden ist. Auch eine verbilligte (sog. teilentgeltliche) Übertragung sei nach der Rechtsprechung tarifbegünstig...

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