Leitsatz

1. Obligatorische Beiträge an die schweizerische Alters- und Hinterlassenenversicherung können nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie aus Einkünften stammen, die in Deutschland aufgrund des DBA-Schweiz steuerfrei sind.

2. Der fehlende Sonderausgabenabzug verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

3. Die entsprechenden Beiträge können auch nicht bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 2 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32b Abs. 1 Nr. 3, § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG, Art. 3 GG, Art. 43 EG, Art. 1 Buchst. a, Art. 16 Abs. 2 FZA

 

Sachverhalt

Der im Inland ansässige Kläger erzielte im Streitjahr 2005 u.a. Einkünfte aus einem schweizerischen Gewerbebetrieb, die nach dem DBA-Schweiz in Deutschland unter Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG von der Besteuerung freigestellt waren. In der Schweiz musste der Kläger auf diese Einkünfte Beiträge zur Schweizerischen Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) entrichten. Dabei handelt es sich um obligatorische Beiträge an eine gesetzliche Rentenversicherung, die er in der Schweiz steuerlich abziehen konnte. In seiner deutschen Einkommensteuererklärung machte der Kläger die AHV-Beiträge als Sonderausgaben geltend. Dies lehnte das FA ab, da ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen gegeben sei. Ebenso lehnt es die Berücksichtigung der AHV-Beiträge im Rahmen des Progressionsvorbehalts ab, da die AHV-Beiträge Sonderausgaben seien. Das FG wies die Klage ab (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 21.7.2009, 11 K 378/07, Haufe-Index 2254048, EFG 2010, 208).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen als unbegründet zurück.

 

Hinweis

Grenzüberschreitende Tätigkeiten und die damit verbundene Altersvorsorge durch ausländische Versorgungseinrichtungen spielen im Alltag eine immer größere Rolle.

1. Obligatorische Beiträge an eine ausländische gesetzliche Rentenversicherung sind grundsätzlich als Vorsorgeaufwendungen abziehbar (vgl. § 10 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG), sofern diese Aufwendungen nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.

2. Vor Inkrafttreten des AltEinkG war es gefestigte Rechtsprechung des BFH, einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen dann anzunehmen, wenn die Einnahmen und die Aufwendungen durch dasselbe Ereignis veranlasst waren. Diese Voraussetzung war dann erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger steuerfreie Einnahmen erzielte und dieser Tatbestand gleichzeitig Pflichtbeiträge an einen Sozialversicherungsträger auslöste. Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang i.S.d. § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG war dadurch gegeben, dass die steuerfreien Einnahmen verpflichtend der Finanzierung der Vorsorgeaufwendungen dienten. Hingegen kam es nicht darauf an, ob die Vorsorgeaufwendungen zu steuerfreien Einnahmen führten.

3. Nach Auffassung des X. Senats erfordert das neue System der Besteuerung der Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünfte aufgrund des AltEinkG mit der grundsätzlichen Ausrichtung auf die nachgelagerte Besteuerung, die zu einer die gesamten Renteneinnahmen umfassenden Besteuerung führt, keine Änderung bzw. Anpassung der BFH-Rechtsprechung. Zwar werde die inländische Bemessungsgrundlage durch die ausländischen Rentenversicherungsbeiträge nicht gemindert, dafür würden aber die mit den gesetzlichen Beiträgen untrennbar verbundenen Einkünfte von der inländischen Bemessungsgrundlage ausgenommen. Einer weitergehenden steuerlichen Berücksichtigung dergestalt, dass die Beiträge zusätzlich noch die inländische Bemessungsgrundlage verminderten, bedürfe es nicht.

4. Insofern ist dieses Urteil im Zusammenhang mit dem Urteil vom 24.6.2009, X R 57/06, Haufe-Index 2206185, BFH/NV 2009, 1697 zu sehen, das den spiegelbildlichen Sachverhalt zu entscheiden hatte: Inländische steuerpflichtige Einkünfte, die mit obligatorischen (ausländischen) Altersvorsorgeaufwendungen untrennbar verbunden waren und zu ausländischen, im Inland steuerfreien Alterseinkünften führten, konnten danach als Sonderausgaben abgezogen werden.

5. In der fehlenden weiteren steuerlichen Berücksichtigung der Altersvorsorgebeiträge liegt nach Auffassung des BFH weder ein Verstoß gegen das objektive noch gegen das subjektive Nettoprinzip.

6. Die konstitutive Einordnung der Altersvorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben führt dazu, dass sie im Rahmen des Progressionsvorbehalts gem. § 32b nach ständiger BFH-Rechtsprechung ebenfalls nicht berücksichtigt werden können.

7. Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit, die im Verhältnis zur Schweiz nur über die Anwendung des Freizügigkeitsabkommens der Europäischen Union mit der Schweiz (BGBl II 2001, 811) zum Tragen kommen könnte, scheidet aus zwei Gründen aus: Zum einen ergibt sich auch aus der neueren EuGH-Rechtsprechung in der gegebenen Konstellation, in der die Altersvorsorgeaufwendungen im ...

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