Leitsatz

1. Betreuer üben eine sonstige vermögensverwaltende Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG aus (Anschluss an BFH-Urteile vom 15.6.2010, VIII R 10/09, BFHE 230, 47, BStBl II 2010, 906; VIII R 14/09, BFHE 230, 54, BStBl II 2010, 909).

2. Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer nach § 1835a BGB sind nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 12 Satz 1, § 3 Nr. 26b, § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, § 1835a BGB

 

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige bezog neben seinen Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit und aus einer selbstständigen Tätigkeit als Aufsichtsrat Aufwandsentschädigungen aus der Bestellung als Betreuer i.S.d. § 1896 BGB. Zeitweise hatte er bis zu 42 Fälle. Überwiegend leistete das Amtsgericht für jede im Streitzeitraum vom Kläger betreute Person – jeweils jährlich – eine Aufwandsentschädigung i.S.d. §§ 1835a, 1908i BGB. Das Amtsgericht verbuchte alle Aufwandsentschädigungen im Haushaltsplan als "Auslagen in Rechtssachen", "Aufwand für ehrenamtliche Vormünder, Pfleger und Betreuer …", nicht aber als Aufwandsentschädigung. Daher berücksichtigte das FA die in den Einkommensteuererklärungen des Steuerpflichtigen nicht erfassten Aufwandsentschädigungen aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung als nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbare Leistungen.

Das FG wies die Klage des Steuerpflichtigen mit der Begründung ab, die Aufwandsentschädigungen seien nach § 15 EStG steuerbar und insbesondere nicht nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 24.9.2009, 3 K 1350/08, Haufe-Index 2254053, EFG 2010, 120).

 

Entscheidung

Der BFH beurteilte die Aufwandsentschädigungen als Einnahmen gem. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG, die aber nach § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG steuerfrei seien. Es sei unschädlich, dass die Aufwandsentschädigungen i.S.d. § 1835a BGB nicht ausdrücklich "als Aufwandsentschädigungen" im Haushaltsplan ausgewiesen worden seien. Entscheidend sei, dass die Aufwandsentschädigungen im BGB, einem Bundesgesetz, geregelt gewesen seien. Sie hätten der pauschalen Abgeltung von Betriebsausgaben gedient und auch wegen ihrer geringen Höhe nicht den Charakter einer Vergütung gehabt.

 

Hinweis

1. Betreuer i.S.d. § 1896 BGB erzielen nach der jüngeren Rechtsprechung des BFH Einkünfte, die der vermögensverwaltenden Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zuzurechnen sind.

2. Für Veranlagungszeiträume ab 2011 sind Aufwandsentschädigungen ehrenamtlicher Betreuer in begrenzter Höhe gem. § 3 Nr. 26b EStG steuerfrei. Nach dieser durch das JStG 2010 eingefügten ­Vorschrift sind "Aufwandsentschädigungen nach § 1835a des Bürgerlichen Gesetzbuchs" steuerfrei, soweit sie zusammen mit den steuerfreien Einnahmen im Sinne der Nr. 26 den Freibetrag nach Nr. 26 Satz 1 nicht überschreiten.

3. Für frühere Veranlagungszeiträume folgt die Steuerfreiheit solcher Aufwandsentschädigungen in nicht begrenzter Höhe aus § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG.

a) Zwar hat das BVerfG diese Vorschrift mit Beschluss vom 11.11.1998, 2 BvL 10/95 (BVerfGE 99, 280, BStBl II 1999, 502) für verfassungswidrig erklärt.

Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit wurde vom BVerfG aber ausdrücklich nur auf die Anwendbarkeit bei Zulagen für Besoldungsempfänger des Bundes wegen dienstlicher Tätigkeit in Dienststellen der neuen Bundesländer beschränkt und vom BFH entsprechend (nur) auf solche Zulagen für Landesbeamte erstreckt. Zulagen dieser Art gleichen nicht den tatsächlich entstandenen Erwerbsaufwand aus, sondern erhöhen die Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit.

Für den Ersatz von Aufwendungen, die ihrer Art nach Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, wird die Steuerfreiheit i.S.d. § 3 Nr. 12 EStG hingegen allgemein als verfassungskonform angesehen. Um solche Aufwendungen handelt es sich bei der hier streitigen Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB.

b) Die Aufwandsentschädigungen erfüllen die Voraussetzungen des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG.

aa) Sie beruhen auf einer Festsetzung als Aufwandsentschädigung in einem Bundesgesetz. Denn § 1835a Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 1908i BGB setzt den Anspruch eines Betreuers (ohne Vergütungsansprüche) auf Aufwendungsersatz ausdrücklich "als Aufwandsentschädigung" fest.

bb) Zudem ist es für die Steuerfreiheit der streitigen Zahlungen unerheblich, dass in dem für die Aus­zahlung der Aufwandsentschädigung maßgeblichen Haushaltstitel des Haushaltsplans der Begriff "Aufwandsentschädigung" nicht verwendet wird. Dafür sprechen Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG.

cc) § 1835a BGB ist nicht auf eine Vergütung der Betreuungstätigkeit gerichtet. Vielmehr sollen ausschließlich in begrenztem Umfang geringfügige Aufwendungen des ehrenamtlichen Betreuers abgegolten werden; ihm soll durch die Pauschalierung die Mühe abgenommen werden, solche Aufwendungen wie kleinere Porto- oder Telefonkosten durch Belege nachzuweisen: Damit sollen auch die Gerichte von einem darauf bezogenen Prüfungsaufwand entlastet werden.

Auch die geringe Höhe der Aufwandsentschädigung je betreuter Person (monatlich etwa 2...

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