Leitsatz

1. Eine Lehrtätigkeit, die ein in einem Mitgliedstaat Steuerpflichtiger im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, hier einer Universität, ausübt, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet, fällt auch dann in den Anwendungsbereich von Art. 49 EG, wenn die Tätigkeit nebenberuflich und quasi ehrenamtlich ausgeübt wird.

2. Die Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, die da­rin liegt, dass nach einer nationalen Regelung nur das Entgelt, das im Inland ansässige Universitäten, die juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, als Gegenleistung für eine nebenberufliche Lehrtätigkeit zahlen, von der ESt befreit ist, während die Befreiung versagt wird, wenn ein solches Entgelt von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Universität gezahlt wird, ist nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.

3. Der Umstand, dass die Mitgliedstaaten selbst für die Gestaltung ihres Bildungssystems zuständig sind, ist nicht geeignet, eine nationale Regelung, nach der eine Steuerbefreiung denjenigen Steuerpflichtigen vorbehalten ist, die im Dienst oder Auftrag inländischer öffentlicher Universitäten tätig sind, mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang zu bringen.

 

Normenkette

Art. 59 EWG-Vertrag (später Art. 59 EG-Vertrag, jetzt nach Änderung Art. 49 EG), Art. 128 EWG-Vertrag (später nach Änderung Art. 126 EG-Vertrag, jetzt Art. 149 EG)

 

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger wohnt in Deutschland und ist hier als Rechtsanwalt niedergelassen. Er nahm im Streitjahr 1991 nebenberuflich einen Lehrauftrag an der Universität Straßburg wahr und erhielt hierfür einen Betrag von umgerechnet 1 612 DM. Den Antrag, diese Zahlung gem. § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei zu belassen, lehnte das FA ab.

Die Klage hatte keinen Erfolg (EFG 2002, 1307).

 

Entscheidung

Der BFH hatte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (Beschluss vom 01.03.2006, XI R 43/02, BFH-PR 2006, 378).

Der EuGH sieht da­rin, dass Aufwandsentschädigungen für eine nebenberufliche Lehrtätigkeit höher besteuert werden, wenn der Auftraggeber seinen Sitz nicht im Inland, sondern in einem anderen Mitgliedstaat hat, eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, die nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei.

 

Hinweis

1. Der Besprechungsfall zeigt erneut, dass der EuGH dazu neigt, die Vorschriften des EG-Vertrags so auszulegen, dass sie die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten auch in den nicht harmonisierten Bereichen -- wie z.B. der direkten Steuern und des Bildungswesens -- einschränken.

Wenn Vorschriften des EStG zwischen In- und Ausland differenzieren, stellt sich daher stets die Frage, ob die Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang steht.

Hier geht es darum, ob § 3 Nr. 26 EStG gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. Nach dieser Vorschrift sind Aufwandsentschädigungen bis zu einem bestimmten Höchstbetrag steuerfrei, u.a. für nebenberufliche Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher oder für eine vergleichbare nebenberufliche Tätigkeit im Dienst oder Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts.

Nach deutschem ESt-Recht werden die freiberuflichen Einnahmen (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) aus einer nebenberuflichen unterrichtenden Tätigkeit also höher besteuert, wenn der Auftraggeber nicht eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts (hier: Universität), sondern im Ausland ansässig ist.

2. Der XI. Senat des BFH hatte Zweifel, ob § 3 Nr. 26 EStG mit dem Gemeinschaftsrecht übereinstimmt und deshalb dem EuGH Fragen zum Anwendungsbereich der jetzt in Art. 49 EG geregelten Dienstleistungsfreiheit und zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit vorgelegt (Beschluss vom 01.03.2006, XI R 43/02, BFH-PR 2006, 378).

3. Der EuGH stellt zunächst klar, dass für den Anwendungsbereich der Vertragsbestimmungen über die Dienstleistungen entscheidend sei, dass die Leistung nicht ohne Gegenleistung erbracht werde. Es sei nicht erforderlich, dass der Leistungserbringer mit Gewinnerzielungsabsicht handelt.

Zwar sei der Unterricht in bestimmten Einrichtungen eines staatlichen Bildungssystems vom Dienstleistungsbegriff ausgenommen worden. Dies betreffe aber nur die Lehrtätigkeit der aus dem Staatshaushalt finanzierten Universitäten selbst, nicht aber die nebenberuflichen Leistungen natürlicher Personen, auf die die Universitäten zur Erfüllung ihrer Aufgabe zurückgriffen.

Danach fielen auch die Leistungen gegen Aufwandsentschädigungen i.S.d. § 3 Nr. 26 EStG unter die Dienstleistungsfreiheit (jetzt Art. 49 EG).

4. Der EuGH sieht eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit da­rin, dass die Aufwandsentschädigungen von Universitäten, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, anders als die vergleichbaren Zahlungen inländischer Universitäten nicht von der ESt befreit sind. Er hält diese Beschränkung nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses für gerechtfertigt.

Er folgt damit nicht der gegenteiligen Auffassung der deutschen ...

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