Sachverhalt

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des Hessischen FG vom 24.3.2015[1] ging es um die Steuerbefreiung oder Steuerpflicht der Lieferungen von aus menschlichem Blut gewonnenem Blutplasma. Das Vorlagegericht wollte wissen, ob eine solche Lieferung unter die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL fällt. Falls der EuGH dies bejahte, wollte das FG weiterhin wissen, ob diese Steuerbefreiung auch für Blutplasma gilt, das nicht unmittelbar für therapeutische Zwecke, sondern ausschließlich zur Herstellung von Arzneimitteln bestimmt ist bzw. ob es für die Einordnung als Blut allein auf die getroffene Zweckbestimmung oder auch auf die abstrakt bestehende Verwendungsmöglichkeit des Blutplasmas ankommt.

Die Klägerin betreibt ein Blutspendezentrum. Im Rahmen ihrer Tätigkeit lieferte sie Blutplasma zum Zwecke der Herstellung von Arzneimitteln an eine in der Schweiz ansässige X AG, die das Plasma bei der Klägerin abholte und zu ihren Produktionsstätten im übrigen Gemeinschaftsgebiet transportierte. Mit ihrer Umsatzsteuererklärung für 2008 machte die Klägerin die mit diesen Lieferungen im Zusammenhang stehenden Vorsteuern geltend. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug mit der Begründung, die Lieferungen des Blutplasmas ins übrige Gemeinschaftsgebiet seien sowohl nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG als innergemeinschaftliche Lieferungen als auch nach § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG als Lieferung von Blut steuerbefreit. Da die in § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG normierte Steuerbefreiung nach dem BFH-Urteil vom 22.8.2013[2] der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen vorgehe, stehe § 15 Abs. 2 UStG dem Vorsteuerabzug entgegen.

Die Klägerin machte geltend, die mit den geforderten Vorsteuerbeträgen im Zusammenhang stehenden innergemeinschaftlichen Lieferungen von Blutplasma seien nicht gem. § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG steuerbefreit, da es sich insoweit um die Lieferung von sog. Sourceplasma an Pharmafirmen zur Fraktionierung und anschließenden Herstellung von Arzneimitteln handele. Dies habe zur Folge, dass die Steuerbefreiung insoweit ausschließlich auf § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG (für innergemeinschaftliche Lieferungen) beruhe und deshalb der Vorsteuerabzug zu gewähren sei. Die Lieferung von Blutplasma zur Herstellung von Arzneimitteln stellte keine Lieferung von Blut i. S. d. § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG bzw. Art. 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL dar.

Eine Definition des Begriffes Blut sei vom Gesetzgeber nicht erfolgt. Die nationale Vorschrift sei ursprünglich eingeführt worden, um die Lieferung von Blutkonserven zwischen Blutannahmestellen und Krankenanstalten von der USt zu befreien. Die Befreiung habe den Zweck, die Kosten des Gesundheitswesens und damit die Kosten für die Patienten und Sozialversicherungsträger nicht mit USt zu belasten. Deshalb sei die Steuerbefreiung dann gerechtfertigt, wenn die Empfänger der Lieferungen wegen der Steuerbefreiung ihrer Ausgangsumsätze - wie z.B. Krankenhäuser - nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt seien. Diesem Zweck widerspreche es aber, die Lieferung von Blutplasma an vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmen zur Herstellung von Arzneimitteln ebenfalls von der USt zu befreien. Auch die Berücksichtigung der vom EuGH aufgestellten Grundsätze zur Auslegung von Steuerbefreiungen und das Neutralitätsgebot erforderten es, die Lieferung von Plasma zur Herstellung von Arzneimitteln nicht als steuerbefreite Lieferung von Blut anzusehen. Der in § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG bzw. in der inhaltsgleichen Vorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL verwendete Begriff "Blut" müsse eng ausgelegt werden, da Steuerbefreiungen eine Ausnahme vom Grundsatz der allgemeinen Steuerpflicht darstellten. Hierbei müsse die Auslegung mit den mit der Befreiungsvorschrift verfolgten Zielen im Einklang stehen, nämlich hier, die Kosten des Gesundheitswesens zu senken. Es sei deshalb für die steuerliche Beurteilung geboten, zwischen Plasma, das unmittelbar zu Therapiezwecken verwendet werde und dem nur zur Herstellung von Arzneimitteln geeigneten und bestimmten Plasma zu unterscheiden.

 

Entscheidung

Der EuGH hat in seinem Urteil festgestellt, dass der Begriff "menschliches Blut" auch den Blutbestandteil Blutplasma umfasst. Er ist allerdings zu dem Ergebnis gekommen, dass die Steuerbefreiung nur für die Lieferung von Blutplasma gilt, wenn diese Lieferung unmittelbar zu dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten beiträgt, d.h. wenn das gelieferte Blutplasma unmittelbar für Gesundheitsleistungen oder zu therapeutischen Zwecken eingesetzt wird. Die Lieferung von sog. Industrieplasma, das ausschließlich zur Herstellung von Arzneimitteln bestimmt ist, fällt dagegen nicht unter die Steuerbefreiung.

 

Hinweis

In seiner recht kurzen Urteilsbegründung beruft sich der EuGH auf den Grundsatz der engen Auslegung von Steuerbefreiungen sowie den Zweck der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL. Danach soll der Zugang zur Lieferung von Produkten, die zu Gesundheitsleistungen beitragen oder einen therapeutisc...

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