Sachverhalt

Bei dem deutschen Verfahren ging es um Fragen zur etwaigen Umsatzsteuerbefreiung für die Vermögensverwaltung mit Wertpapieren (Portfolioverwaltung) und zum umsatzsteuerrechtlichen Ort solcher Dienstleistungen. Der BFH war in seinem Urteil vom 11.10.2007, V R 22/04, BFH/NV 2008 S. 502, davon ausgegangen, dass Leistungen einer Bank, die im Namen und für Rechnung der von ihr betreuten Anleger Wertpapiere kauft oder verkauft und dabei als Portfoliomanager aufgrund eigener Entscheidungsbefugnis und einer ihr eingeräumten Abschlussvollmacht handelt, steuerfrei sind.

Die Finanzverwaltung war demgegenüber der Auffassung, dass Banken bei der Portfolioverwaltung aus der maßgeblichen Sicht eines Durchschnittsverbrauchers eine einheitliche, auf Renditeerzielung angelegte Tätigkeit erbringen. Aus Sicht des durchschnittlichen Empfängers einer Portfolioleistung komme es maßgeblich auf das von der Bank erzielte Ergebnis der Verwaltungstätigkeit, nämlich die eingetretene Vermögensmehrung, an. Diese einheitliche Leistung "Vermögensverwaltung" sei steuerpflichtig. Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG komme nicht in Betracht, weil diese Leistung nicht zu den dort genannten begünstigten Umsätzen gehöre (vgl. BMF-Schreiben v. 9.12.2008, IV B 9 - S 7117 - f/07/10003, BStBl I S. 1086).

Der EuGH hatte neben der Frage ob für die Portfolioverwaltung ggf. die Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. f oder g MwStSystRL anzuwenden ist, zu prüfen, ob die Begriffe der Bank- und Finanzierungsdienstleistungen auf den genannten Befreiungskatalog beschränkt sind und ob es sich bei den in Art. 59 Buchst. e MwStSystRL aufgeführten Dienstleistungen um gemeinschaftsrechtliche Begriffe handelt, die einheitlich ausgelegt werden müssen. Im Gegensatz zu dem BMF-Schreiben v. 9.12.2008 könnten Portfolioverwaltungsleistungen die spezifischen und wesentlichen Elemente eines Wertpapiergeschäfts aufweisen und wären daher nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. f MwStSystRL steuerfrei. Das Hessische FG als Vorinstanz des BFH-Vorlageersuchens lehnte die Steuerpflicht ab. Nach seinem Urteil v. 22.03.2010, 6 K 1930/09, EFG 2010, S. 1364, ist die über eine depotmäßige Verwahrung hinausgehende aktive Verwaltung eines Anlageportfolios (das laufende, unter Ausnutzung von relevanten Informationen und Fachkenntnissen gesteuerte Umschichten des Portfolios zum Zwecke der Wert- und Ertragssteigerung) gegen Zahlung einer Pauschalvergütung, die die Vermögensverwaltung und den An- und Verkauf der Wertpapiere abdeckt, umsatzsteuerlich eine einheitliche nicht aufteilbare Vermittlungsleistung in Form eines steuerfreien Umsatzes im Geschäft mit Wertpapieren (§ 4 Nr. 8 Buchst. e UStG) bzw. im Geschäft mit Forderungen (§ 4 Nr. 8 Buchst. c UStG).

 

Entscheidung

Der EuGH ist im Ergebnis den Schlussanträgen der Generalanwältin Sharpston v. 8.5.Mai 2012 gefolgt und - wie im Ergebnis auch die Bundesregierung - der Auffassung, dass die individuelle Portfolioverwaltung eine einheitliche Leistung darstellt, die nicht unter die Steuerbefreiung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. f oder g MwStSystRL fällt und somit steuerpflichtig ist.

Zur Einheitlichkeit der Leistung führt der EuGH unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung aus, dass beide Elemente der Portfolioverwaltung - die Leistung der Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens des Anlegers zum einen und die Leistung des eigentlichen Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren zum andern - nicht nur als untrennbar, sondern auch als gleichrangig anzusehen sind. Insoweit ist er der Auffassung der Bundesregierung und der Generalanwältin nicht gefolgt. Beide hatten vorgetragen, dass die Leistung der Analyse und Beaufsichtigung die Hauptleistung darstelle. Gleichwohl kommt der EuGH zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. f oder g MwStSystRL nicht vorliegen. Der EuGH hat damit im Ergebnis seine bisherige Rechtsprechung bestätigt. Eine einheitliche Leistung liegt danach vor, wenn der Unternehmer für den Verbraucher - wobei auf einen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist - zwei oder mehr Elemente liefert oder Handlungen vornimmt, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. insbesondere EuGH, Urteil v. 27.10.2005, C-41/04 (Levob Verzekeringen)). Zwar können die beiden Teile der Leistung einer Portfolioverwaltung (Leistung der Analyse und Beaufsichtigung des Vermögens des Anlegers zum einen und Leistung des eigentlichen Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren zum anderen) theoretisch getrennt erbracht werden. Ggf .wünscht ein Anleger nur eine Beratungsleistung und zieht es vor, selbst über die Anlagen zu entscheiden und die Käufe bzw. Verkäufe auch selbst zu tätigen. Dem durchschnittlichen Anleger geht es bei einer Portfolioverwaltung wie der im Ausgangsverfahren nach Auffassung des EuGH jedoch gerade um die Verbindung dieser beiden Elemente, was zur Einheitlichkeit der Leis...

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