Leitsatz

Ein Disagio ist nur dann nicht sofort als Werbungskosten abziehbar, wenn es sich nicht im Rahmen des am aktuellen Kreditmarkt Üblichen hält. Wann dies der Fall ist, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung. Wird eine Disagiovereinbarung mit einer Geschäftsbank wie unter fremden Dritten geschlossen, indiziert dies die Marktüblichkeit.

 

Normenkette

§ 11 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Die Kläger (Eheleute) erwarben ein vermietetes Mehrfamilienhaus. Zur Bezahlung des Kaufpreises nahmen sie Bankdarlehen in Anspruch. Im Darlehensvertrag war ein Disagio von 10 % der Darlehenssumme vereinbart. Das FA ließ nur die Hälfte des Disagios (entsprechend 5 %) zum sofortigen Abzug als Werbungskosten zu und verteilte den darüber hinausgehenden Betrag gleichmäßig auf den Zinsfestschreibungszeitraum von 10 Jahren. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Auf die Revision der Kläger hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.10.2014, 4 K 1265/13, Haufe-Index 7446021, EFG 2015, 115). Zwar spricht prima facie auf der Grundlage der vom BFH geschaffenen Vermutung alles dafür, dass das Disagio im Streitfall in voller Höhe sofort als Werbungskosten abgezogen werden kann. Das FG muss aber noch prüfen (ausschließen), dass die Vermutung widerlegt wird.

 

Hinweis

1. Disagio (Abgeld) ist der (im Darlehensvertrag vereinbarte) Unterschied zwischen dem Nenn- und dem Auszahlungsbetrag des Darlehens. Ein Teil des Darlehens wird von der Bank von vornherein einbehalten; der Darlehensnehmer kann nur über den verringerten Betrag verfügen. Im Gegenzug werden Schuldzinsen vereinbart, die hinter den marktüblichen Zinsen zurückbleiben. Ob sich eine solche Gestaltung für den Darlehensnehmer lohnt, hängt von komplexen Überlegungen ab. Zunächst erhöht das Disagio den effektiven Zins, denn es handelt sich wirtschaftlich um eine Vorauszahlung auf den Zins. Nur auf dieser Basis lassen sich die Kosten des Kredits mit anderen Darlehen vergleichen. Letztlich kommt es aber auf die steuerlichen Verhältnisse an. Ein Disagio rechnet sich für den Darlehensnehmer vor allem dann, wenn er den anfänglich erhöhten Aufwand (bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung) sofort steuermindernd geltend machen kann und wenn sich unter Berücksichtigung der niedrigeren laufenden Aufwendungen in den nachfolgenden Jahren für ihn über die Jahre gesehen (z.B. bei fallendem Einkommen) ein Vorteil ergibt oder wenn er auf den Liquiditätsvorteil im ersten Jahr angewiesen ist. Aber ist das Disagio immer sofort absetzbar?

2. Ausgaben sind im Grundsatz für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind (§ 11 Abs. 2 Satz 1 EStG). Hiervon sieht § 11 Abs. 2 Satz 3 EStG eine Ausnahme vor für Ausgaben, die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als 5 Jahre im Voraus geleistet werden. Sie sind insgesamt auf den Zeitraum gleichmäßig zu verteilen, für den sie geleistet werden. Dieser Satz (3) ist indes nicht anzuwenden auf ein Damnum oder Disagio, soweit dieses marktüblich ist (§ 11 Abs. 2 Satz 4 EStG). Ein marktübliches Disagio kann also nach dem Grundsatz in § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG sofort in voller Höhe abgesetzt werden.

a) Was "marktüblich" ist, sagt der BFH nicht. Er erläutert nur abstrakt, dass sich die Marktüblichkeit aus der Höhe des Disagios im Verhältnis zur Höhe und Laufzeit des Kredits nach Maßgabe der aktuellen Verhältnisse auf dem Kreditmarkt ergebe. Wie dies geschehen soll, bleibt aber offen. Mit anderen Worten: Was marktüblich ist, weiß (nur) der Markt!

b) Die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 20.10.2003, BStBl I 2003, 546 Tz. 15) hat ebenfalls offen­gelassen, unter welchen Voraussetzungen ein Disagio marktüblich ist. Sie stellt, ebenfalls kaum hilfreich, darauf ab, ob die Aufwendungen "unter Berücksichtigung der jährlichen Zinsbelastung" die üblichen Beträge übersteigen.

c) Aus Vereinfachungsgründen geht die Finanzverwaltung von der Marktüblichkeit aus, wenn für ein Darlehen mit einem Zinsfestschreibungszeitraum von mindestens 5 Jahren ein Damnum in Höhe von bis zu 5 % vereinbart worden ist. In der Praxis verfährt die Finanzverwaltung allerdings so, als handele es sich insofern um eine starre Grenze. Übersteigt das Disagio 5 % der Darlehenssumme, sieht die Finanzverwaltung dies als nicht mehr marktüblich an und verweigert den vollen Sofortabzug, obwohl sich dies aus ihrer Anweisung nicht ergibt. Vor allem dieser Verfestigung der Verwaltungspraxis ist der BFH mit deutlichen Worten entgegengetreten und hat ausgeführt, die Marktüblichkeit an einen festen Zinssatz (gemeint: Vomhundertsatz) zu koppeln, komme nicht in Betracht.

d) Etwas verwirrend wird es, wenn man ergänzend die Gesetzesbegründung zur Einführung von § 11 Abs. 2 Satz 4 EStG zu Rate zieht. Darin wird behauptet, als "ergänzende Klarstellung" werde die "geltende" Verwaltungsanweisung "ohne materiell-rechtliche Än­derung" in das Gesetz übernommen (BT-Drucks. 16/2712, S. 44). Nicht nur der Ausdruck "ergänzende Klarstellung"...

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