Rz. 182

§ 9 Abs. 1 UStG führt auch die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 13 UStG auf. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs eines UStG 1979[1] wurde die Anwendbarkeit des § 9 UStG auf die gem. § 4 Nr. 13 UStG steuerfreien Umsätze ausgedehnt, weil "die Steuerbefreiung bei Leistungen an Unternehmer zu wirtschaftlichen Nachteilen führen kann". Es sollte also sichergestellt werden, dass in der Unternehmerkette der mit der Steuerbefreiung verbundene Ausschluss des Vorsteuerabzugs durch Behandlung des Umsatzes als steuerpflichtig vermieden werden kann.

 

Rz. 183

Bei den Leistungen von Wohnungseigentümergemeinschaften ist zu unterscheiden, ob ein Umsatz i. S. v. § 1 Abs. 1 UStG vorliegt oder ob es sich um eine nichtsteuerbare Gemeinschaftsleistung handelt, die den Gesamtbelangen der Mitglieder dient.[2] Die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 13 UStG kann sich selbstverständlich nur auf steuerbare Leistungen beziehen. Dementsprechend ist auch § 9 UStG nur anwendbar bei steuerbaren Leistungen der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Nach Abschn. 4.13.1 Abs. 2 UStAE[3] stellen die Umlagen für

Lieferungen von Wärme (Heizung) und Wasser,

Waschküchen- und Waschmaschinenbenutzung,

Verwaltungsgebühren,

(Entschädigung für den Verwalter der Gemeinschaft),

Hausmeisterlohn,

Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums,

Flurbeleuchtung,

Schornsteinreinigung,

Feuer- und Haftpflichtversicherung,

Müllabfuhr,

Straßenreinigung,

Entwässerung,

das Entgelt für jeweils eigenständige steuerbare Leistungen der Wohnungseigentümergemeinschaft an ihre Mitglieder dar. Das Problem der Haupt- und Nebenleistung im Fall der Vermietung, s. Rz. 181ff, stellt sich hier nicht.

 

Rz. 183a

Diese Leistungen werden insgesamt im unternehmerischen Bereich der Wohnungseigentümergemeinschaft erbracht; die Wohnungseigentümergemeinschaft hat damit den Zugang zum Vorsteuerabzug unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG. Diese verschiedenartigen Leistungen sind jeweils selbstständige Umsätze und nicht Teil eines einheitlichen Leistungsbündels, sodass auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 13 UStG nicht nur insgesamt, sondern für jede Leistungsart einzeln verzichtet werden kann.

 

Rz. 184

Diese Betrachtungsweise ist insofern sachgerecht, als damit im unternehmerischen Bereich durch Anwendung des § 9 UStG durchgängig der Vorsteuerabzug erreicht werden kann. Andererseits kann dadurch, dass bei der Weitergabe von nicht mit (offenen) Vorsteuern belasteten Vorleistungen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft § 9 UStG nicht angewandt wird (z. B. bei den umsatzsteuerfreien Versicherungsbeiträgen, hoheitlichen Müllabfuhr-, Straßenreinigungs- und Entwässerungsgebühren), erreicht werden, dass keine zusätzliche Steuer anfällt, die u. U. beim Wohnungseigentümer nicht abzugsfähig wäre gem. § 15 Abs. 2 UStG.

 

Rz. 184a

Die obigen Erläuterungen zu § 4 Nr. 13 UStG sind durch das EuGH-Urteil v. 17.12.2020[4] insofern ins Wanken geraten, als der EuGH festgestellt hat, dass es für die Steuerbefreiung an einer unionsrechtlichen Grundlage fehlt. Die Protokollerklärung, die Deutschland bei der Schaffung der 6. EG-RL dazu gegenüber dem Rat und der Kommission abgegeben hat, hat keinerlei Eingang in den Text der Richtlinie gefunden; sie ist auch nicht im ABl. EU veröffentlicht worden. Damit können sich die steuerpflichtigen WEG auf die nach der MwStSystRL bestehende Steuerpflicht berufen. Es bedarf dann keiner ausdrücklichen Option nach § 9 Abs. 1 UStG und die Steuerpflicht eröffnet den Zugang der WEG zum Vorsteuerabzug. Die von Hummel[5] vorgenommene Reduktion des Anwendungsbereichs des § 4 Nr. 13 UStG nur auf von der WEG zugekaufte Leistungen erscheint nicht sachgerecht und unionsrechtlich nicht gedeckt. Es käme dann zu praktisch völlig uneinsichtigen Differenzierungen.[6]

Das zeigt sich u. a. daran, dass die Steuerbefreiung dann zwar z. B. für die Lieferung des zugekauften kalten Wassers durch die WEG an die Eigentümer gälte, nicht aber für die Lieferung des selbst erzeugten heißen Wassers und für die Versorgung der Heizkörper mit heißem Wasser, was als Lieferung selbst erzeugter Wärme anzusehen ist.

[1] BT-Drs. 8/1779 v. 5.5.1978, Abschn. B – zu § 9 UStG.
[2] Abschn. 4.13.1 Abs. 2 UStAE, der allerdings – wie früher Abschn. 87 Abs. 1 UStR keine Anhaltspunkte für die erforderliche Abgrenzung gibt.
[4] EuGH v. 17.12.2020, C-449/19, WEG Tevesstraße, Haufe-Index 14276230, UR 2021, 103 m. Anm. Küffner/Werthaler und Widmann. S. auch Denk, UR 2021,192.
[5] UR 2021, 173.
[6] S. dazu Widmann, UR 2021, 253.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge