Rz. 21

§ 9 UStG formuliert, dass der Unternehmer die aufgeführten steuerfreien Umsätze als steuerpflichtig behandeln kann. Dass nur Unternehmer von der Vorschrift betroffen sein können, versteht sich eigentlich von selbst, denn nur Unternehmer können steuerfreie oder steuerpflichtige Umsätze erbringen. Maßgebender Unternehmerbegriff ist damit der des § 2 UStG; zu den Einzelheiten kann deshalb auf die Erläuterungen dieser Vorschrift verwiesen werden. Von Bedeutung vor allem im Hinblick auf die Möglichkeit, auf die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 12 UStG verzichten zu können, ist der Umstand, dass auch die einmalige Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken eine unternehmerische Tätigkeit darstellt, wenn durch sie ein auf die Erzielung von Einnahmen gerichteter Dauerzustand hergestellt wird. Dadurch hat § 9 UStG u. U. Bedeutung auch für Unternehmer, die sich ihrer Unternehmereigenschaft wegen der grundsätzlichen Steuerfreiheit der Vermietungs- und Verpachtungsumsätze bei Grundstücken gem. § 4 Nr. 12 UStG gar nicht bewusst sind. Wichtig ist daher für die Anwendung des § 9 UStG auch, ob sich die Herstellung eines Dauerzustands in einer einmaligen Tätigkeit erschöpft, oder ob ein nachhaltiges Tun (aktiv oder duldend durch Unterlassen) gegeben ist.

 
Praxis-Beispiel

Ein sonst nicht unternehmerisch tätiger Grundstückseigentümer bestellt einem Energieversorgungsunternehmen eine entgeltliche Dienstbarkeit zur Sicherung der Leitungsüberspannungsrechte über dem Grundstück. Diese (einmalige) Bestellung des Rechts[1] führt wegen ihrer Nachhaltigkeit hinsichtlich der damit verbundenen Duldung zur Unternehmereigenschaft. Die Bestellung der Dienstbarkeit ist ein gem. § 4 Nr. 12 UStG steuerfreier Umsatz, auf den § 9 UStG anwendbar ist.

 

Rz. 22

Das BMF v. 4.3.1985[2], ging – in Übereinstimmung mit der nicht zweifelsfreien, aber wohl damals schon allgemeinen Meinung – davon aus, dass z. B. in der Nießbrauchsbestellung eine fortdauernde unternehmerische Leistung gegeben ist, denn sonst wäre die Anwendbarkeit des zum 1.1.1985 geänderten § 4 Nr. 12 UStG auf bereits bestellte dingliche Rechte nicht denkbar.

 

Rz. 23

Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis darauf, dass man durch die Ausführung nur unentgeltlicher Leistungen die Unternehmereigenschaft nicht erwerben kann. § 2 Abs. 1 UStG verlangt eine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Hieran fehlt es, wenn ausschließlich unentgeltlich geleistet wird.

 
Praxis-Beispiel

A, welcher im Übrigen keiner unternehmerischen Tätigkeit nachgeht, wohnt in einem ihm gehörigen Zweifamilienhaus. Eine Wohnung bewohnt er ausschließlich selbst; die andere Wohnung überlässt er unentgeltlich seinem Sohn, der darin eine Rechtsanwaltspraxis betreibt. A möchte die auf die Renovierung der Praxisetage entfallenden Vorsteuern abziehen. Dies ist nicht möglich, weil A nicht Unternehmer ist, denn das Wohnen im eigenen Haus und die unentgeltliche Überlassung der Wohnung an den Sohn begründen nicht die Unternehmereigenschaft. Damit scheidet die Anwendbarkeit des § 9 UStG von vornherein aus. Das Problem, ob ein Unternehmer bei unentgeltlichen Leistungen gegenüber Dritten oder im Falle der unentgeltlichen Wertabgaben an sich selbst gem. § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG § 9 UStG anwenden kann (Rz. 70ff.), stellt sich hier nicht.

 

Rz. 24

Nach der in § 2 Abs. 3 S. 1 UStG i. d. F. bis Ende 2015 – mit Geltung bis Ende 2016, s. § 27 Abs. 22 UStG – angeordneten Beschränkung der Unternehmereigenschaft bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts auf die Betriebe gewerblicher Art und die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe sowie auf die in § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 bis 5 UStG aufgeführten Tätigkeiten konnten die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur für die im Rahmen dieser unternehmerischen Bereiche erbrachten Leistungen § 9 UStG anwenden. Allerdings war hier zu beachten, dass durch die Rechtsprechung von EuGH und BFH die Ausgrenzung der sog. Vermögensverwaltung aus dem unternehmerischen Bereich der öffentlichen Hand unionsrechtlich nicht mehr zulässig war.[3]

 
Praxis-Beispiel

Eine Stadt kann beim Verkauf eines Bürogebäudes, das zu ihren Verkehrsbetrieben[4] gehört, auf die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verzichten, sofern die sonstigen Voraussetzungen des § 9 UStG erfüllt sind. Auch beim Verkauf von anderen Grundstücken, die nichtunternehmerisch genutzt werden, z. B. von Bauplätzen, die im Bereich der bloßen Vermögensverwaltung gehalten werden, ist die Stadt bei Nachhaltigkeit dieser Verkäufe Unternehmer, sodass § 9 UStG anwendbar ist.

 

Rz. 25

Diese Lösung ist sachgerecht, denn die öffentliche Hand konkurriert bei ihren Vermietungsumsätzen mit anderen Unternehmern, die durch die Option zur Steuerpflicht den Vorsteuerabzug erlangen können. Es gibt keinen mehrwertsteuer-systematisch einleuchtenden Grund, der öffentlichen Hand den Vorsteuerabzug vorzuenthalten, wenn sie sich wie ein privater Vermieter aufführt. Die Gleichbehandlung aller Umsätze, gleich von wem sie ausgeführt werden, ist ein wesen...

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