Rz. 200

Hat ein im Inland und in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten ansässiger Unternehmer Zweigniederlassungen im Ausland[1], so sind diese Zweigniederlassungen ausländische Abnehmer, wenn sie das Umsatzgeschäft im eigenen Namen abschließen.[2] Dagegen sind Zweigniederlassungen im Inland und in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten eines im Ausland ansässigen Unternehmers keine ausländischen Abnehmer.[3]

 

Rz. 201

Die Regelung in § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG erweitert den Kreis der ausländischen Abnehmer um die o. g. Zweigniederlassungen, die ohne diese Bestimmung als Unternehmensteil des inländischen Unternehmers und damit als inländische Abnehmer zu behandeln wären. Diese Durchbrechung des Grundsatzes der Einheit eines Unternehmens erfolgt nur hinsichtlich des Begriffs des ausländischen Abnehmers, wenn die Zweigniederlassung im eigenen Namen das Umsatzgeschäft abgeschlossen hat (Rz. 90ff.). Diese Zweigniederlassung wird durch § 6 Abs. 2 Nr. 2 UStG den anderen im Ausland ansässigen Abnehmern gleichgestellt.

 

Rz. 202

Der Begriff "Zweigniederlassung" i. S. d. § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG ist dem in § 12 S. 2 Nr. 2 AO und § 13 HGB verwendeten Begriff "Zweigniederlassung" gleichzusetzen. Danach ist die Zweigniederlassung keine selbstständige, von der Hauptniederlassung getrennte Rechtspersönlichkeit. Haupt- und Zweigniederlassung bilden eine rechtliche und wirtschaftliche Einheit, sind mithin ein Unternehmen. Eine Zweigniederlassung muss für das Unternehmen wesentliche Geschäfte selbstständig erledigen, was sich darin äußert, dass sie eine selbstständige Leistung bewirkt, ein gesondertes Geschäftsvermögen und auch eine eigene Buchführung besitzt und im Handelsregister als Zweigniederlassung eingetragen ist. Der Begriff setzt nicht voraus, dass der Unternehmer im Inland eine der Zweigniederlassung übergeordnete Hauptniederlassung unterhält. Die Umsatzsteuerfreiheit für Lieferungen an ausländische Zweigniederlassungen inländischer Unternehmer ist nicht deshalb zu versagen, weil die Zweigniederlassungen keiner Hauptniederlassung im Inland untergeordnet sind.

 

Rz. 203

Die MwStSystRL verwendet den Begriff der festen Niederlassung (Art. 44 MwStSystRL). Nach ständiger Rechtsprechung[4] ist darunter der Ort zu verstehen, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat; eine andere Niederlassung, von der aus die Dienstleistung erbracht wird, wird nur dann berücksichtigt, wenn die Anknüpfung an den Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder wenn sie einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat. Aus dem Zusammenhang der in Art. 9 MwStSystRL (Steuerpflichtige) verwendeten Begriffe ergibt sich, dass die Zuordnung einer Dienstleistung zu einer anderen Niederlassung als dem Sitz nur dann in Betracht kommt, wenn diese Niederlassung aufgrund des ständigen Zusammenwirkens der für die Erbringung bestimmter Dienstleistungen erforderlichen persönlichen und Sachmittel einen zureichenden Mindestbestand aufweist. Das bedeutet, dass die Zweigniederlassung zwar mit dem Hauptbetrieb eine unternehmerische Einheit bildet, aber über eine ausreichende personelle und sachliche Ausstattung verfügen muss, um selbstständig Dienstleistungen zu erbringen. Hierzu muss sie über ein Geschäftslokal und über eigene Geldmittel (eigenes Bankkonto) verfügen, Bücher führen und eine eigene Zweigstellenleitung besitzen.

 

Rz. 204

Die Anerkennung von ausländischen Zweigniederlassungen als ausländische Abnehmer ist davon abhängig, dass sie Umsatzgeschäfte im eigenen Namen mit einem Dritten, also nicht mit der Hauptniederlassung, abschließen. Dagegen muss die Zweigniederlassung beim Umsatzgeschäft nicht auf eigene Rechnung handeln. Bestellt eine ausländische Zweigniederlassung im eigenen Namen bei einer inländischen Maschinenfabrik eine Maschine, die auch in das Drittlandsgebiet abgeholt wird, und wird die Maschine von dem inländischen Hauptbetrieb bezahlt, so bleibt die Lieferung der inländischen Maschinenfabrik trotzdem eine steuerfreie Ausfuhrlieferung, weil es unerheblich ist, wer die Rechnung bezahlt. Der inländischen Maschinenfabrik bleibt auch der Vorsteuerabzug erhalten. Für die Zweigniederlassung im Ausland kommt ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht. Hätte der inländische Hauptbetrieb die Maschine unmittelbar bei der inländischen Maschinenfabrik gekauft und an die ausländische Zweigniederlassung versenden lassen, so läge für die Maschinenfabrik eine steuerpflichtige Inlandslieferung vor. Lieferungen an die ausländische Zweigniederlassung eines inländischen Unternehmers (Mutterhaus) sind an sich Lieferungen an inländische Abnehmer. § 6 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UStG begründet jedoch hiervon Ausnahmen. Hat z. B. ein Hamburger Exporthaus im Ausland eine Filiale (Zweigniederlassung) die im eigenen Namen aus dem Inland Waren direkt abholt, so ist der inländische Lieferer (nicht das Hamburger Mutterhaus) steuerfreier Ausfuhrunternehmer; geht die Lieferung jedoch zu Händen des Hamburger Hauses, so liegt weg...

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