Rz. 32

Nur "Lieferungen" genießen die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG. Lieferungen sind Leistungen, durch die dem Abnehmer die Verfügungsmacht über einen Gegenstand verschafft wird.[1] Das bedeutet, dass der Abnehmer mit dem Liefergegenstand nach Belieben verfahren, insbesondere ihn wie ein Eigentümer nutzen und veräußern kann.[2] Damit verbunden ist der endgültige Übergang von wirtschaftlicher Substanz, Wert und Ertrag.[3] Der Begriff der Lieferung bestimmt sich nicht nach den in den einzelnen nationalen Vorschriften über die Eigentumsübertragung vorgesehenen Formen.[4] Die Verfügungsmacht wird nach deutschem Recht verschafft durch Übergabe und Annahme des Gegenstands (§ 929 S. 1 BGB), durch Besitzkonstitut (§ 930 BGB) oder durch Abtretung des Herausgabenanspruchs (§ 931 BGB). Wird die Verfügungsmacht erst in der übrigen Union übertragen (z. B. der Unternehmer befördert oder versendet den Gegenstand an seinen Abnehmer in den anderen Mitgliedstaat), wird der Ort der Lieferung auch nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt. Diese Voraussetzungen können auch bei unentgeltlichen Lieferungen, Kommissionsgeschäften (§ 3 Abs. 3 UStG) und Werklieferungen (§ 3 Abs. 4 UStG; Rz. 34ff.) erfüllt sein, nicht aber bei Werkleistungen oder Kauf auf Probe.[5] Die Überlassung von Gegenständen im Leasing-Verfahren wird von der Verwaltung i. d. R. als Lieferung qualifiziert, wenn der Leasing-Gegenstand einkommensteuerrechtlich dem Leasing-Nehmer zuzurechnen ist.[6] Die Bezugnahme auf einkommensteuerliche Merkmale erscheint nicht mehr ausreichend, ebenso wie die Möglichkeit der Besteuerung nach der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung im anderen Mitgliedstaat.[7] Hat der Leasing-Nehmer noch keine eigentumsähnliche Stellung, ist eine Lieferung erst anzunehmen, wenn ihm das Eigentum übertragen wird.[8] Bei Annahmeverweigerung, d. h., nimmt der Abnehmer die Ware von vornherein nicht an, z. B. wegen offensichtlicher Mängel, liegt keine Lieferung vor.[9] Hat der Abnehmer die Ware vorerst angenommen, sie später jedoch wegen festgestellter Mängel zurückgewiesen, ist eine Lieferung zunächst zustande gekommen.[10]

 

Rz. 32a

Bei den Gegenständen handelt es sich in erster Linie um körperliche Gegenstände; als Gegenstände gelten aber auch Elektrizität, Gas, Wärme, Kälte u. ä. Sachen.[11] Die Mitgliedstaaten sind gem. Art. 15 Abs. 2 MwStSystRL ermächtigt, bestimmte Grundstücksrechte als körperliche Gegenstände zu behandeln.

Nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. a, Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und Art. 137 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL können nicht nur Gebäude, sondern auch Gebäudeteile Gegenstand einer Lieferung sein.[12] Die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Gegenstand stellt eine Lieferung dar[13] unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung.[14]

 

Rz. 33

Bei der Verkaufskommission bewirkt der Kommittent eine Ausfuhrlieferung an seinen Kommissionär, wenn dieser ein Ausländer ist; desgleichen bei der Einkaufskommission der Einkaufskommissionär, wenn dessen Kommittent ein Ausländer ist. Diese Regelung in § 3 Abs. 3 UStG entspricht Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL, wonach als Lieferung die Übertragung eines Gegenstands aufgrund eines Vertrages über eine Einkaufs- oder Verkaufskommission gilt. Die Versendung von Sachgeschenken an ausländische Geschäftsfreunde stellt eine unentgeltliche Wertabgabe dar, die zwar einer Lieferung gleichgestellt ist[15], auf die aber die Vorschriften über die Steuerbefreiung von Ausfuhrlieferungen nicht anwendbar sind.[16] Auch die Vermietung und der Ratenverkauf, bei denen das Eigentum spätestens mit der Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird, sind als Lieferungen zu behandeln (Art. 14 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL; s. Rz. 63f.).

 

Rz. 34

Zu den Lieferungen gehören auch die Werklieferungen.[17] Werklieferungen sind aber nur Ausfuhrlieferungen, wenn der Ort der Lieferung im Inland gelegen ist. Wird eine Gesamtanlage im Drittlandsgebiet erstellt (z. B. eine Fabrik- oder Maschinenanlage wird im Ausland montiert und betriebsfähig gemacht), ist eine nichtsteuerbare Lieferung im Ausland gegeben; diese Vorschrift entspricht Art. 14 Abs. 3 MwStSystRL), wonach die Mitgliedstaaten ermächtigt sind, Bauleistungen als Lieferungen zu betrachten. Werden bei Werklieferungen Zwischenerzeugnisse hergestellt bzw. verwendet und berechnet, kann eine steuerfreie Lieferung in Betracht kommen, wenn die Zwischenerzeugnisse ins Drittlandsgebiet gelangen.[18] Auch in diesem Falle bleibt der Vorsteuerabzug erhalten.[19]

 

Rz. 35

Im Gegensatz zu einer Werklieferung liegt eine Werkleistung vor, wenn der Unternehmer lediglich vom Besteller überlassene Stoffe be- oder verarbeitet (vgl. § 3 Abs. 4 Rz. 9ff.; § 3 Abs. 10 Rz. 10ff.).[20] Im Übrigen kennt das UStG auch eine begrenzte Anzahl von sonstigen Leistungen, die steuerfrei in das Drittlandsgebiet gelangen. Zur Abgrenzung Werklieferung und Werkleistung s. a. Abschn. 27 UStR! Für Werkleistungen kommt eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 2 i. V. m. § 7 UStG in Betracht, wenn an Gegenständen der Ausfuhr L...

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