Rz. 10

§ 4 Nr. 8 Buchst. h UStG beruht auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Danach ist die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solchen definierten Sondervermögen steuerbefreit. In der deutschen Fassung des bis Ende 2006 geltenden Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-Richtlinie war insoweit noch von der Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften die Rede. Diese sprachliche Unschärfe (die anderen Sprachfassungen kannten diesen Zusatz nicht) ist mit der ab 1.1.2007 geltenden MwStSystRL beseitigt worden.

Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL geht zurück auf Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der 6. EG-Richtlinie. Sondervermögen" i. S. dieser Vorschrift sind Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) i. S. der RL 85/611/EWG und diesen Organismen ähnliche Fonds. Ähnlich in diesem Sinne sind Fonds, die gleiche Merkmale aufweisen wie OGAW und vergleichbare Umsätze tätigen oder diesen zumindest so weit ähnlich sind, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen, was zumindest voraussetzt, dass das nationale Recht eine besondere staatliche Aufsicht für solche Vermögen vorsieht. Ein gemeinsames Konto und Depot der Gesellschafter von Fondsgesellschaften (hier in der Form von GbR) bei einem Brokerhaus in den USA lässt die Annahme einer OGAW (Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 RL 85/611/EWG) nicht zu.[1]

 

Rz. 11

Ziel und Rechtfertigung der Steuerbefreiung ist es insbesondere, Kleinanlegern die Geldanlage in Investmentfonds zu erleichtern. Kleinanleger sollen nicht benachteiligt werden. Die Bestimmung soll die steuerliche Neutralität in Bezug auf die Wahl zwischen unmittelbarer Anlage in Wertpapieren und der Einschaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen gewährleisten.[2] Investmentfonds erlauben es privaten Anlegern, in breite Anlageportfolios zu investieren und damit das Börsenrisiko zu verringern.[3] Gäbe es die Befreiung nicht, wären Besitzer von Anteilen an Investmentfonds steuerlich stärker belastet als Anleger, die ihr Geld unmittelbar in Aktien oder anderen Wertpapieren anlegen und keine Leistungen einer Fondsverwaltung in Anspruch nehmen. Gerade für Kleinanleger ist die Anlage in Investmentfonds von besonderer Bedeutung. Wegen des geringen Anlagevolumens, über das sie verfügen, ist es ihnen nur eingeschränkt möglich, ihr Geld breit gestreut unmittelbar in Wertpapieren anzulegen; zudem verfügen sie oftmals nicht über die nötigen Kenntnisse für den Vergleich und die Auswahl der Wertpapiere. Diese Gruppe von Geldanlegern hat kaum Möglichkeiten, die Tätigkeit eines Fonds selbst zu kontrollieren und ist daher in besonderem Maße auf gesetzlich vorgesehene Schutzmechanismen angewiesen.

 

Rz. 12

Die Steuerbefreiung richtet sich nach der Art der Tätigkeit, nicht nach dem Leistungsempfänger. Die Steuerbegünstigung ist auch nicht ausgeschlossen, wenn die Verwaltungsleistungen von einem Dritten erbracht werden (Outsourcing). Allerdings können die Dienstleistungen der administrativen und buchhalterischen Verwaltung der Fonds, die durch einen Dritten erbracht werden, nur dann steuerfrei sein, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL fallenden Leistung erfüllt. Die Dienstleistungen müssen daher die spezifischen und wesentlichen Elemente der Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften betreffen. Rein materielle oder technische Dienstleistungen wie z. B. die Zurverfügungstellung eines Datenverarbeitungssystems werden von der Richtlinienvorschrift nicht erfasst. Insoweit ist der EuGH bisher nicht von seiner Rechtsprechung abgewichen, dass nicht jede im Finanzdienstleistungssektor ausgelagerte Leistung ihrerseits die Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt.[4]

 

Rz. 13

Die von einem Dritten gegenüber einer Kapitalanlagegesellschaft als Verwalterin eines Sondervermögens erbrachten Beratungsleistungen für Wertpapieranlagen fallen unter den Begriff "Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften".[5] Dem EuGH-Urteil lag folgender Fall zugrunde: Nach einem Anlageberatungsvertrag beauftragte eine KAG, die einen Publikumsfonds als Sondervermögen nach dem KAGG verwaltete, einen externen Berater (keine KAG), sie "bei der Verwaltung des Fondsvermögens zu beraten". Der Berater hatte "unter ständiger Beobachtung des Fondsvermögens Empfehlungen für den Kauf oder Verkauf von Vermögensgegenständen zu erteilen". Er hatte hierbei "den Grundsatz der Risikomischung, die gesetzlichen Anlagebeschränkungen sowie die Anlagebedingungen zu berücksichtigen". Im Rahmen des Beratungsvertrags übermittelte der Berater Empfehlungen zum An- und Verkauf von Wertpapieren per Telefon, Telefax oder Web-Server, ohne dabei umfangreiche Expertisen zu erstellen. Die KAG stellte die Empfehlungen in ihr Order-System ein, um diese einer Überprüfung zu unterziehen. Die Anlageempfehlungen des Beraters setzte die KAG – oft innerhalb weniger Minuten – um, soweit kein Verstoß gegen gesetzl...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge