1 Entstehung und Bedeutung der Vorschrift

1.1 Entstehung der Vorschrift

 

Rz. 1

§ 3g findet seinen Ursprung in der "Richtlinie 2003/92/EG des Rates v. 7.10.2003 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich der Vorschriften über den Ort der Lieferung von Gas und Elektrizität".[1] Diese Gas- und Elektrizitätsrichtlinie v. 7.10.2003 beruht darauf, dass die Liefergegenstände Gas und Elektrizität physisch nur sehr schwer verfolgt werden können und es daher außerordentlich schwierig ist, den Ort der Lieferung nach den allgemeinen Vorschriften[2] bestimmen zu können. Angesichts dieser Schwierigkeiten wurde durch spezielle Ortsregelungen für die Lieferung von Elektrizität und Gas in Art. 38 und Art. 39 MwStSystRL mittels einer Ortsfiktion klargestellt, dass die Lieferung von Elektrizität und Gas keine bewegte Lieferung i. S. v. Art. 32 MwStSystRL ist. Durch Art. 1 Nr. 5 der RL 2009/162/EU vom 22.12.2009 wurde die Regelung mWv 1.1.2011 um die Lieferung von Wärme und Kälte erweitert.

 

Rz. 2

Durch Art. 5 Nr. 4 des Gesetzes zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (EURLUmsG)[3] wurde die Gas- und Elektrizitätsrichtlinie mWv 1.1.2005 durch § 3g UStG in nationales Recht umgesetzt. Vorher erfolgte die Ortsbestimmung bei der Lieferung von Gas über Erdgasnetze nach der Ortsbestimmung für bewegte Lieferungen und bei der Lieferung von Elektrizität nach der Ortsbestimmung für ruhende Lieferungen (§ 3 UStG Rz. 25, Rz. 193, Rz. 213). Seit 1.1.2005 wird die Lieferung von Gas und Elektrizität einheitlich nicht als warenbewegte Lieferung angesehen. Der Ort der Lieferung bestimmt sich nun ausschließlich in Abhängigkeit von der Stellung des Abnehmers (§ 3g Abs. 1 und Abs. 2; Rz. 10ff.).

Durch das JStG 2010[4] wurde die Regelung mWv 1.1.2011 entsprechend der unionsrechtlichen Vorgabe um die Lieferung von Wärme und Kälte über Wärme- bzw. Kältenetze erweitert.

[1] ABlEU 2003 Nr. L 260, 8.
[3] EURLUmsG v. 9.12.2004, BGBl I 2004, 3310.
[4] BGBl I 2010, 1768.

1.2 Bedeutung der Vorschrift

 

Rz. 3

Die Regelung geht als Sondervorschrift der allgemeinen Ortsbestimmung vor (§ 3 Abs. 5a UStG). Der Lieferort für unkörperliche Gegenstände ließe sich nur schwer bestimmen, da der physische Warenweg meist nur schwer oder gar nicht feststellbar ist. § 3g UStG soll damit vorrangig Schwierigkeiten bei der Ortsbestimmung dieser unkörperlichen Gegenstände vermeiden und dient folglich der Vereinfachung.

 

Rz. 4

Bei der Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme oder Kälte wird danach unterschieden, ob diese an einen Wiederverkäufer (§ 3g Abs. 1 UStG) oder an einen anderen Abnehmer (§ 3g Abs. 2 UStG) erbracht wird. Bei der Lieferung an Wiederverkäufer befindet sich der Lieferort dort, wo dieser Abnehmer sein Unternehmen betreibt oder eine Betriebsstätte unterhält. Ist der Abnehmer hingegen kein Wiederverkäufer, sondern ein anderer Abnehmer, liegt der Lieferort dort, wo dieser Abnehmer den erworbenen Gegenstand tatsächlich nutzt oder verbraucht. Damit wird aus Gründen der Effektivität und Praktikabilität bei der Lieferung dieser Gegenstände das Bestimmungslandprinzip umgesetzt, um die Besteuerung ohne mehrwertsteuerliche Hindernisse durchführen zu können.[1]

[1] Nieskens, UR 2005, 57.

1.3 Zusammenhang mit anderen Vorschriften

 

Rz. 5

Da die Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme und Kälte nicht warenbewegt ist, kann weder eine steuerfreie Ausfuhrlieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG, § 6 UStG noch eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung nach § 4 Abs. 1 Buchst. b, § 6a UStG[1] noch ein innergemeinschaftliches Verbringen dieser Gegenstände – weder als Erwerb (§ 1a Abs. 2 UStG) noch als Lieferung (§ 3 Abs. 1a UStG) – bewirkt werden (§ 3g Abs. 3 UStG; Rz. 16).

§ 3g UStG gilt auch im Verhältnis zum Drittlandsgebiet. Lieferungen von Gas, Elektrizität, Wärme und Kälte aus dem Drittlandsgebiet ins Inland sind stets im Inland steuerbar und steuerpflichtig. Die Anwendung des § 3 Abs. 8 UStG ist mangels Beförderung oder Versendung ausgeschlossen. § 5 Abs. 1 Nr. 6 UStG befreit die Einfuhr von Gas, Elektrizität, Wärme und Kälte. Die Besteuerung im Bestimmungsland wird bereits durch § 3g UStG sichergestellt. Die Lieferung von Gas, Elektrizität, Wärme und Kälte aus dem Inland in das Drittlandsgebiet ist eine im Inland nicht steuerbare Lieferung.[2]

Um sicherzustellen, dass die Ortsverlagerung nach § 3g UStG auch fiskalisch durchgesetzt werden kann, geht in folgenden Fällen die Steuerschuldnerschaft auf den inländischen Leistungsempfänger über:

  • bei der Lieferung von Gas über das Erdgasnetz, von Elektrizität, von Wärme und Kälte über das Wärme- bzw. Kältenetz durch einen im Ausland ansässigen Unternehmer, geht die Steuerschuld auf den inländischen Leistungsempfänger über, wenn der Leistungsempfänger ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist (§ 13b Abs. 2 S. 1 Nr. 5 Buchst. a UStG i. V. m. § 13b Abs. 5 S. 1 und Abs. 7 S. 1 UStG)
  • bei der Lieferung von Gas über das Erdgasnetz und von Elektrizität durch im Inland ansässige Unternehmer, we...

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