4.1.1 Die Bestimmung des Orts der sonstigen Leistungen im Überblick und die Rechtsquellen

 

Rz. 45

§ 3a UStG bestimmt den Ort der Leistung bei einem großen Teil der im Wirtschaftsleben anzutreffenden grenzüberschreitenden sonstigen Leistungen; die Beförderungsleistungen als weitere wichtige spezielle sonstige Leistungen finden ihre Regelung in § 3b UStG. Allgemein spricht man unionsrechtlich bei den sonstigen Leistungen von "Dienstleistungen", gemeint ist damit aber dasselbe. Das gemeinsame europäische Umsatzsteuerrecht sieht für solche Leistungen insgesamt eine andere Lösung der Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung vor, als dies bei dem leichter nachzuverfolgenden Ort einer Lieferung der Fall ist. Die Vorschrift des § 3a UStG ist auch in ihrer Neufassung ab dem 1.1.2010 inhaltlich umfangreich, von Kasuistik geprägt und häufigen Änderungen unterworfen[1]; insoweit ist die Regelung für den nicht geschulten Gesetzesanwender schwer verständlich, obwohl die eigentliche Grundregel des Gesetzes bei Umsätzen zwischen Unternehmern einfacher ist, als dies früher der Fall war. In der Tat kann deshalb trotz der komplizierten Regelung m. E. im Großen und Ganzen nach der Gesetzesänderung im Jahr 2010 von einer Vereinfachung der Leistungsortsbestimmung gesprochen werden.[2]

 

Rz. 45a

Verwundern dürfen Umfang und Inhalt des deutschen § 3a UStG allerdings nicht, denn die für den deutschen Gesetzgeber verbindlichen unionsrechtlichen Rechtsquellen in den Art. 43ff. MwStSystRL enthalten die entsprechenden Vorgaben, welche allerdings systematisch grundlegend anders aufgebaut sind und eine ganze Reihe von Artikeln umfassen. Die unterschiedliche Gesetzestechnik beruht schon darauf, dass der deutsche Gesetzgeber einerseits am Aufbau des § 3a UStG und andererseits daran festgehalten hat, einen großen Teil der Regelung in einen Paragrafen – eben den § 3a UStG – einzufügen; auch das österreichische UStG hat diesen Weg in § 3a des österreichischen UStG gewählt. In der Tat hätte jede andere Gesetzesfassung wohl eine neue Durchnummerierung des gesamten UStG erfordert.

 

Rz. 46

Aus dem von der MwStSystRL abweichenden Aufbau der deutschen Regelung ist unschwer erkennbar, dass der Gesetzgeber bei Schaffung des neuen § 3a UStG zum 1.1.2010 darum bemüht war, die Regelungen – soweit nur möglich – in die alte Vorschrift einzufügen. Auch wenn dieser systematische Ansatz gelungen ist, darf nicht übersehen werden, dass die Rechtsfolgen gegenüber der alten Regelung stark abweichen; so ist z. B. die Bedeutung von Abs. 4 nunmehr deutlich geringer. Bei jeder Anwendung des § 3a UStG ist zusätzlich zu beachten, dass (äußerst) umfangreiche weitere relevante Rechtsquellen existieren; zu nennen sind insbesondere die – als Europäische Rechtsverordnung im deutschen Recht verbindliche[3] – Durchführungsverordnung 282/2011 v. 15.3.2011 (= MwStVO)[4] und natürlich die – für die Verwaltung verbindlichen – Bestimmungen des UStAE zu § 3a UStG.

In einem systematischen Überblick stellt sich der Inhalt des § 3a UStG wie folgt dar[5]:

 

Rz. 47

§ 3a Abs. 1 UStG ordnet zunächst als (vermeintliche) Grundregel an, dass sich der Leistungsort bei sonstigen Leistungen grundsätzlich an dem Ort befindet, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Führt der Unternehmer die Leistung von einer Betriebsstätte aus, so gilt die Betriebsstätte als Ort der Leistung (§ 3a Abs. 1 S. 2 UStG, Art. 45 MwStSystRL). Schon der Wortlaut des § 3a Abs. 1 S. 1 UStG weist aber darauf hin, dass diese Regel nur vorbehaltlich der Abs. 2 bis 7 des § 3a UStG und der §§ 3b und 3e UStG gilt. Diese Bestimmungen regeln nun die umfangreichen Ausnahmen von der vermeintlichen Grundregel, diese ist daher auch bei der Neuregelung zutreffend eher als Auffangtatbestand zu bezeichnen (Rz. 68). § 3a UStG ist mithin weiterhin nach einem Regel-Ausnahme-Verhältnis aufgebaut[6]; die Ortsbestimmung des Abs. 1 ist gegenüber den speziellen Regelungen subsidiär, wie dies im Übrigen auch für die eigentliche neue Grundregel des § 3a Abs. 2 UStG – des Leistungsort bei Leistungen zwischen Unternehmern – gilt. Die Bestimmung des Leistungsorts kann demnach nur dann nach der Bestimmung des § 3a Abs. 1 UStG erfolgen, wenn der Leistungsempfänger kein Unternehmer ist und die ausgeführte sonstige Leistung in keinen weiteren (speziellen) Regelungen aufgezählt ist.[7]

 

Rz. 48

Die erste wichtige Unterscheidung bei der Bestimmung des Leistungsorts ist deshalb dahin gehend zu treffen, ob die jeweilige sonstige Leistung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird oder nicht. Die erforderliche Feststellung des Leistungsempfängers als Unternehmer oder "Nichtunternehmer" ist in dieser Ausprägung das eigentlich Neue der Reform zum 1.1.2010. Die Vorgabe der MwStSystRL ist insoweit auch begrifflich deutlicher, weil sie in Art. 44 und Art. 45 MwStSystRL zwischen den sog. B2B-Umsätzen (business to business) und den B2C-Umsätzen (business to consumer) unterscheidet. Während die Richtlinie hier klar vom "consumer" (Verbraucher) spricht, vermeidet das deutsche UStG den für die Rechtsanwendung eigentlich wichtigen Begriff...

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