Rz. 45

Mit § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG ist zum 1.4.1999 ein für das deutsche Umsatzsteuerrecht weitgehend neuer Tatbestand geschaffen worden: die unentgeltliche Zuwendung von vorsteuerentlasteten Gegenständen aus unternehmerischen Gründen. Mit ihm soll der unversteuerte Letztverbrauch umfassend vermieden werden, und zwar auch dann, wenn unternehmerische Zwecke mit der Zuwendung verfolgt werden. Damit ist eine bemerkenswerte Ausnahme von dem umsatzsteuerlichen Grundsatz gegeben, wonach nur entgeltliche Vorgänge der USt unterliegen, es sei denn, es liege eine im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung besteuerungswürdige Selbstversorgung eines Unternehmers vor. Der EuGH hat in seinem Urteil v. 27.4.1999[1] ausdrücklich betont, dass der Wortlaut des Satzes 2 von Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie nicht zwischen der unentgeltlichen Lieferung für unternehmerische oder für nichtunternehmerische Zwecke unterscheidet. Deshalb ist die Hingabe von (vorsteuerentlasteten) Gegenständen als Prämie für Kundentreue zu besteuern, auch wenn sie unzweifelhaft im Interesse des unternehmerischen Erfolgs geschieht. Die Belastung des Letztverbrauchs erfolgt hier mangels Überwälzungsmöglichkeit auf den Leistungsempfänger eben auf der Stufe des leistenden Unternehmers.

 

Rz. 46

Ausgenommen von dem umfassenden Tatbestand des § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG sind allerdings Geschenke von geringem Wert und Warenmuster. Was ein geringer Wert ist, sagt das Gesetz nicht. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dies wie bei § 15 Abs. 1a UStG nach den für ertragsteuerliche Zwecke maßgebenden Kriterien abgegrenzt sehen möchte. Danach darf der Wert der Geschenke im Kj. den Nettobetrag von 35 EUR gem. § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG nicht übersteigen.[2] Diese Zusammenrechnung mehrerer Geschenke in einem Jahr ist in Art. 16 MwStSystRL (früher Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie) zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, der EuGH hat in dem Urteil v. 30.9.2010[3], entsprechend der von der Finanzverwaltung im Vereinigten Königreich geübten Verwaltungspraxis, eine Jahresobergrenze von 50 Pfund gebilligt.

 

Rz. 47

Ein Geschenk ist eine unentgeltliche Zuwendung, d. h., es liegt kein Leistungsaustausch i. S. v. Leistung und Gegenleistung vor, dessentwegen der Gegenstand hingegeben wird. Da für Geschenke gem. § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG i. V. m. § 4 Abs. 5 S. 1 EStG der Vorsteuerabzug seit dem 1.4.1999 ausgeschlossen ist[4], wird die Steuerbarkeit gem. § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 3 UStG nicht sehr häufig zu bejahen sein, denn diese setzt voraus, dass für den Gegenstand oder seine Bestandteile der Vorsteuerabzug möglich war. War dies wegen des Vorsteuerabzugsverbots gem. § 15 Abs. 1a UStG nicht der Fall, ist die Hingabe des Geschenks nicht steuerbar.

 

Rz. 48

In Betracht kommt der Tatbestand aber dann, wenn beim Bezug des später verschenkten Gegenstands die Schenkung noch nicht beabsichtigt war. Hier gibt es allerdings eine vom Gesetz nicht gelöste Konkurrenz zu der Vorsteuerberichtigungspflicht gem. § 17 Abs. 2 Nr. 5 UStG: Muss der für später verschenkte Gegenstände in Anspruch genommene Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 5 UStG berichtigt werden, entfällt die Steuerbarkeit gem. § 3 Abs. 1b UStG. Es liegt auf der Hand, dass die Besteuerung gem. § 3 Abs. 1b UStG mit der Bemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 4 UStG zu einer anderen Belastung führen kann als die Rückgängigmachung des Vorsteuerabzugs; im Fall der Wertveränderung des verschenkten Gegenstands seit dem Bezug für das Unternehmen ist das zwangsläufig so. Hier stellen sich auch die bereits in Rz. 7 angesprochenen systematischen Fragen.

 

Rz. 49

Der Begriff des Warenmusters ist im Gesetz gleichfalls nicht näher erläutert. Es handelt sich dabei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch um Proben oder vollständige Exemplare von Liefergegenständen, die potenziellen Kunden zum Verbrauch überlassen werden. Dabei sollen die Empfänger der Warenproben zum Kauf animiert, es soll ihnen nicht der Kauf grundsätzlich erspart werden.[5]

 

Rz. 50

Das EuGH-Urteil v. 30.9.2010[6] gibt dazu folgende Definition:

Zitat

Ein Warenmuster …. ist ein Probeexemplar eines Produkts, durch das dessen Absatz gefördert werden soll und das eine Bewertung der Merkmale und Qualität dieses Produkts ermöglicht, ohne in einen anderen als dem mit solchen Werbeumsätzen naturgemäß verbundenen Endverbrauch zu führen. Dieser Begriff kann nicht durch eine nationale Regelung allgemein auf Probeexemplare beschränkt werden, die in einer nicht im Verkauf erhältlichen Form abgegeben werden, oder auf das erste Exemplar einer Reihe identischer Probeexemplare, die von einem Steuerpflichtigen an denselben Empfänger übergeben werden , ohne dass diese Regelung es erlaubt, die Art des repräsentativen Produkts und den kommerziellen Kontext jedes einzelnen Vorgangs, in dessen Rahmen diese Probeexemplare übergeben werden, zu berücksichtigen.

 

Rz. 51

Damit sind z. B. die Hingaben von Probepackungen an Lebensmittelhändler oder unmittelbar an Verbraucher nicht steuerbar. Die Einschränkung gem. Abschn...

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