Rz. 130

Im Insolvenzverfahren müssen die Insolvenzforderungen[1] und die Masseforderungen[2] wegen der unterschiedlichen Befriedigung rechtlich unterschieden werden. Soweit es sich um die USt aus Leistungen handelt, können Insolvenzforderungen nur im Rahmen der InsO geltend gemacht werden, während Masseverbindlichkeiten durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter festgesetzt werden. Aus diesem Grund sind für den Voranmeldungszeitraum, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wird, zwei Voranmeldungen abzugeben. Dabei sind die Leistungen und Leistungsbezüge jeweils den Teilzeiträumen zuzuordnen, in denen die Leistung bzw. der Leistungsbezug rechtlich stattgefunden hat. Maßgebend für die Abgrenzung ist der Zeitpunkt, zu dem der die USt begründende Tatbestand vollständig verwirklicht und abgeschlossen ist. Dabei sind die Grundregelungen des Steuerrechts und nicht die der InsO maßgebend.

 

Rz. 131

Grundsätzlich gilt, dass durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des leistenden Unternehmers die gesamte Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit auch die Empfangszuständigkeit für die offenen Forderungen auf den Insolvenzverwalter übergehen. Es kommt deshalb zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können.[3]

 

Rz. 132

Berechnet der Unternehmer seine USt nach vereinnahmten Entgelten, entsteht USt nach umsatzsteuerrechtlichen Grundsätzen unabhängig von der Ausführung der Leistung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt wurde (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG). Fraglich war, ob eine Abgrenzung für die insolvenzrechtliche Beurteilung auch hier anhand der Leistungserbringung erfolgen kann oder ob hier der Zahlungszeitpunkt das Abgrenzungskriterium zwischen Insolvenzforderung und Masseforderung darstellt. Der Ablauf des Voranmeldungszeitraums konnte hier aber keinen Einfluss haben. Wurde die Leistung und die Bezahlung schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht, handelt es sich bei der USt um eine Insolvenzforderung, erfolgen Leistung und Bezahlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich um eine Masseforderung. Probleme ergaben sich in den Fällen, in denen die Leistung vor, die Zahlung aber nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt.[4]

 

Rz. 133

Der BFH[5] hatte 2009 zu den Rechtsfolgen bei der Vereinnahmung von Entgelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Stellung genommen und festgestellt, dass in den Fällen, in denen der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen der Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG Entgelte für Leistungen vereinnahmt, die bereits vor der Verfahrenseröffnung erbracht wurden, es sich bei der für die Leistung entstehenden USt um eine Masseverbindlichkeit handelt. Der den Umsatzsteueranspruch begründende Tatbestand ist in diesem Fall erst mit der Entgeltvereinnahmung vollständig verwirklicht und abgeschlossen. Nicht von Bedeutung ist das Ende des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist, dies ist nach Auffassung des Gerichts nur der unerhebliche Zeitpunkt der Steuerentstehung, nicht aber der Zeitpunkt der Verwirklichung des Steuertatbestands.

 

Rz. 134

Nachdem in verschiedenen Fällen Insolvenzverwalter nach der Entscheidung des BFH[6] von der Möglichkeit der rückwirkenden Rückkehr zur Berechnung der USt nach vereinbarten Entgelten innerhalb der formellen Bestandskraft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Gebrauch gemacht hatten und rückwirkend zur Regelbesteuerung zurückgekehrt waren, um die Belastung der Insolvenzmasse mit der USt zu vermeiden[7], wollte die Finanzverwaltung eine rückwirkende Änderung der Besteuerungsform im Insolvenzverfahren nicht zulassen.[8]

 

Rz. 135

Allerdings hatte dann der BFH[9] entschieden, dass in den Fällen, in denen der Insolvenzverwalter eines Unternehmers das Entgelt für eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführte Leistung vereinnahmt, dies grundsätzlich eine Masseverbindlichkeit begründet. Dies gilt unabhängig davon, ob der leistende Unternehmer die Berechnung der USt nach vereinnahmten oder nach vereinbarten Entgelten vornimmt. Konkret bedeutet dies für ausgeführte Leistungen[10]:

  • hat der Unternehmer eine Leistung ausgeführt und die dafür entstandene USt schon beim FA angemeldet, aber die Zahlung noch nicht erhalten, gilt die Forderung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens als aus rechtlichen Gründen uneinbringlich. Der insolvente Unternehmer kann die von ihm angemeldete (und ggf. bezahlte) USt für seine Ausgangsleistung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG berichtigen. Die Berichtigung erfolgt im Voranmeldungszeitraum der Insolvenzeröffnung. Der Leistungsempfänger muss seinen Vorsteuerabzug nicht korrigieren, da er – unabhängig vom Insolvenzverfahren des leistenden Unternehmers – weiterhin zur Zahlung verpflichtet bleibt.
  • Vereinnahmt der Inso...

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