Rz. 197

Obwohl die Organschaft seit Einführung der Vorsteuerabzugsberechtigung zum 1.1.1968 wirtschaftlich erheblich an Bedeutung verloren hat, bestehen immer noch Auswirkungen, die über den reinen verfahrensrechtlichen Bereich hinausgehen. Es können sich sowohl Auswirkungen im Bereich der Vorsteuerabzugsberechtigung wie auch im Bereich der Entstehung von Umsatzsteuerbeträgen ergeben. Allerdings setzen diese Gestaltungsmöglichkeiten teilweise voraus, dass weiterhin die Innenumsätze innerhalb des Organkreises als nicht steuerbar angesehen werden, was aufgrund der Rechtsprechung des EuGH[1] zumindest fraglich[2] ist.

 

Rz. 198

Insbesondere können sich durch die bewusste Aus- oder Eingliederung von eigenständigen Wirtschaftseinheiten Vorteile im Umsatzsteuerrecht ergeben. So können vorsteuerintensive Bereiche aus einem Unternehmen, das selbst nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, ausgegliedert werden, ohne dass eine umsatzsteuerliche Organschaft begründet wird. Insbesondere ist dies in den Fällen von Vorteil, in denen erhebliche Investitionen einer langjährigen Nutzung gegenüberstehen und durch den sofortigen Vorsteuerabzug Finanzierungsvorteile erzielt werden können.

 

Ausgliederung zur Erreichung eines Vorsteuerabzugs

Die B-Bank gründet zusammen mit zwei weiteren Kreditinstituten ein neues Rechenzentrum, in dem die automatisierte Abwicklung des inländischen Zahlungsverkehrs vorbereitet werden soll. Dieses – ohne großen Personalaufwand betriebene – automatische Belegerfassungs- und Verarbeitungszentrum wird in keines der Kreditinstitute umsatzsteuerlich als Organgesellschaft eingegliedert, da alle beteiligten Kreditinstitute jeweils zu einem Drittel an der Gesellschaft beteiligt sind. Zu Beginn der Tätigkeit stehen erhebliche Investitionen in die technische Ausstattung des Rechenzentrums an.

Wenn die B-Bank alleine dieses Rechenzentrum betreiben würde oder dieses Rechenzentrum organschaftlich in das Unternehmen der B-Bank eingegliedert wäre, würde sich eine Vorsteuerabzugsberechtigung für die Investitionen zum großen Teil infolge der steuerfreien Ausgangsleistungen nach § 4 Nr. 8 UStG wegen § 15 Abs. 2 UStG nicht ergeben, soweit die B-Bank bei der Kontenverwaltung nicht auf die Steuerfreiheit nach § 9 UStG verzichten würde. Wenn das Rechenzentrum als eigenständiges Unternehmen gegenüber den Kreditinstituten Dienstleistungen erbringt, die nicht unter die Steuerbefreiungen des § 4 Nr. 8 UStG fallen, ist hier der Vorsteuerabzug aus den Investitionskosten in vollem Umfang möglich. Zwar unterliegen die gegenüber den Kreditinstituten erbrachten Leistungen der USt, die dann bei der B-Bank nicht den Vorsteuerabzug zulassen, wegen des Sofortabzugs der Vorsteuer ergeben sich deutlich geringere Investitionskosten, sodass sich hier ein Vorteil ergeben kann.

 

Rz. 199

Insbesondere vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH zu der Anwendung von Steuerbefreiungsvorschriften im Bank- und Versicherungsgewerbe[3] ergeben sich interessante Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Bereich.[4]

 

Rz. 200

Aber auch durch die organschaftliche Eingliederung selbstständiger Wirtschaftsbereiche in ein Unternehmen lassen sich Vorteile im Umsatzsteuerrecht erzielen, insbesondere dann, wenn nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer personalintensive Dienstleistungen am Markt in Anspruch nehmen. In diesem Fall würden ohne organschaftliche Einbindung Leistungen der USt unterliegen, die beim Leistungsempfänger zu keinem Vorsteuerabzug führen, den aber beim Leistungsempfänger nur geringfügige Vorsteuerbeträge gegenüberstehen. Bei Eingliederung dieser Leistungen in das einheitliche umsatzsteuerliche Unternehmen kann die Leistung im Organkreis im Rahmen nicht steuerbarer Innenumsätze und somit ohne USt ausgeführt werden, soweit die Innenumsätze als nicht steuerbare Leistungen angesehen werden.[5]

 

Organschaftliche Einbindung bei nicht vorsteuerabzugsberechtigtem Leistungsempfänger

Der Betreiber eines Krankenhauses erbringt gegenüber den Leistungsempfängern steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG. Für Vorleistungen, die der Betreiber des Krankenhauses bezieht, ist er nach § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UStG vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Soweit er personalkostenintensive Vorleistungen am Markt in Anspruch nimmt, "verteuert" sich damit die von ihm erwünschte Dienstleistung um den nicht abziehbaren Vorsteuerbetrag.

Aus nicht steuerrechtlichen Gründen soll die Gebäudereinigung aus dem bisherigen Krankenhausbetrieb in eine eigenständige Gesellschaft ausgegliedert werden. Es besteht die Möglichkeit, diese Tätigkeit in eine völlig eigenständige Gesellschaft (ohne organschaftliche Eingliederung) oder in eine zivilrechtlich selbstständige, aber nach umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten nichtselbstständige Organgesellschaft auszugliedern.

Soweit die Reinigungstätigkeit in eine auch umsatzsteuerrechtlich selbstständige Gesellschaft ausgegliedert wird, hat zwar die Reinigungsgesellschaft den vollen Vorsteuerabzug aus allen bezogenen Vorleistungen nach § 15 USt...

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