Rz. 184

Der Organträger und seine Organgesellschaften sind im Inland als ein einheitliches Unternehmen im Sinne eines "Steuerpflichtigen" als Ansprechpartner der FinVerw anzusehen. Damit ist nicht nur die Rechtsfolge verbunden, dass für den gesamten Organkreis eine einheitliche Umsatzsteuer-Voranmeldung und eine gemeinsame Umsatzsteuererklärung abzugeben sind. Unternehmer – und damit Träger der unternehmerischen Rechte und Pflichten – ist nach vom EuGH bestätigter nationaler Rechtsauffassung der Organträger[1], selbst dann, wenn die Umsätze der Organgesellschaft oder der Organgesellschaften wirtschaftlich bedeutender sind. Als Träger der unternehmerischen Rechte und Pflichten ist der Organträger auch der Schuldner der USt. Damit ist auch in den Fällen, in denen die Organgesellschaft in finanzielle Schwierigkeiten gerät, die Organschaft aus der Sicht der FinVerw interessant, da Steuerschuldner der während der Organschaft begründeten Steuerschulden – auch im Fall der Insolvenz der Organgesellschaft – der Organträger bleibt. Damit ermöglicht sich, insbesondere in den Fällen, in denen es sich bei dem Organträger um eine natürliche Person oder eine Personengesellschaft handelt, der Durchgriff der FinVerw bis in das Privatvermögen des Organträgers; vgl. auch zu den Auswirkungen bei Beendigung der Organschaft Rz. 260. Eine abweichende Festsetzung der USt aus Billigkeitsgründen kann dabei nicht in Betracht kommen, wenn der Organträger von der Organgesellschaft keine Mittel zur Entrichtung der Steuer erhalten hat.[2]

 

Rz. 185

Die Organgesellschaft ihrerseits haftet nach § 73 AO für die Umsatzsteuerschulden des Organträgers, diese Haftung kann sich aber nur auf Steuerbeträge richten, die während der Organschaft entstanden sind. Allerdings wird diese Haftung nach § 73 AO für die vor Beendigung der Organschaft begründeten Forderungen auch nach Beendigung der Organschaft fortbestehen. Diese Haftung erfasst nach § 73 S. 2 AO auch die Ansprüche auf Erstattungen von Steuervergütungen. Umstritten ist der Umfang der Haftung der Organgesellschaft. Während teilweise unter Hinweis auf die gesetzliche Formulierung die Auffassung vertreten wird, dass die Haftung der Organgesellschaft die gesamten von dem Organträger und eventueller weiterer Organgesellschaften durch deren Umsätze geschuldete USt umfasst, wird teilweise verlangt, dass die Haftung sich nur auf die während des Bestehens des Organschaftsverhältnisses begründeten Umsatzsteuerverbindlichkeiten beschränken darf, die auf die eigenen Umsätze und Vorsteuerbeträge der Organgesellschaft als solcher entstanden sind. Nach der Rechtsprechung des BFH[3] besteht jedoch keine Möglichkeit, zu einer Beschränkung der Haftung zu kommen. Dies wird u. a. neben dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift auch damit begründet, dass eine Beschränkung der Haftung auf die nur von der jeweiligen Organgesellschaft verursachten Steuerbeträge erhebliche praktische Schwierigkeiten nach sich ziehen würde. Die Haftung der Organgesellschaft erstreckt sich damit auf alle während des Bestehens der Organschaft begründeten Steuerschulden. Der BFH[4] hat dazu konkretisiert, dass die Organgesellschaft in dem Umfang haften kann, in dem der Organträger die Umsätze der Organgesellschaft zu versteuern hat und Vorsteuerbeträge aus Rechnungen über Leistungsbezüge der Organgesellschaft abziehen kann. Damit kann sich die Haftung auch auf Steuern beziehen, die zwar erst (mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums) nach Ende der Organschaft entstanden sind, die aber wirtschaftlich vor Beendigung des Organschaftsverhältnisses begründet wurden. Korrekturansprüche, die sich erst nach Beendigung der Organschaft ergeben, können nicht zu einer Haftung nach § 73 AO[5] führen. Die Korrektur von schon geltend gemachten Vorsteuerbeträgen aufgrund von erhaltenen, aber noch nicht bezahlten Leistungen, stellt aber regelmäßig noch einen Vorgang dar, der in das Organschaftsverhältnis fällt.

 

Rz. 186

Insbesondere die Interessen der Minderheitsgesellschafter können im Rahmen eines Organkreises durch eine uneingeschränkte Anwendung des § 73 AO erheblich verletzt werden.

 

Haftung nach § 73 AO bei Minderheitsgesellschaftern

Organträger OT ist mit 100 % an der Organgesellschaft 1 (OG 1) und mit 51 % an der Organgesellschaft 2 (OG 2) beteiligt. Die Voraussetzungen für die organisatorische und die wirtschaftliche Eingliederung sollen gegeben sein. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten gehen OT und OG 1 in die Insolvenz, OG 2 kann eine Anschlussinsolvenz – auch wegen erheblicher Beiträge zur Sanierung der Minderheitsgesellschafter – verhindern.

Nach der Gesetzesformulierung haftet OG 2 für alle Umsatzsteuerschulden und Korrekturen schon geltend gemachter Vorsteuerbeträge des gesamten Organkreises. Damit wird in erheblichem Maße in das Vermögen der Minderheitsgesellschafter von OG 2 eingegriffen, da im Zweifelsfall das gesamte in der OG 2 gebundene Vermögen im Rahmen der Haftung in Anspruch genommen werden kann. Im Falle von Sanierungsbemühungen der M...

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