Rz. 11

Nach den unionsrechtlichen Vorgaben sowohl der bis 31.12.2006 maßgeblichen 6. EG-Richtlinie (Rz. 6f.) als auch der ab 1.1.2007 geltenden MwStSystRL (Rz. 8) unterliegt der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs unabhängig vom umsatzsteuerlichen Status des Verkäufers (Kfz-Händler oder Privatperson) und von der Person des Erwerbers stets der Besteuerung im Bestimmungsland. Es handelt sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz, wonach im derzeitigen MwSt-System der EU bei innergemeinschaftlichen Warenlieferungen an Privatpersonen das Ursprungslandprinzip gilt. Dies hat folgenden Hintergrund:

  • Zum einen hatten die EU-Mitgliedstaaten mit hohen Steuersätzen (Hochsteuerländer) bei den Beratungen der sog. Binnenmarkt-Richtlinie Anfang der 1990er Jahre Befürchtungen, dass es bei einer Besteuerung neuer Fahrzeuge im Ursprungsland "wegen des hohen Stückwerts und der damit verbundenen besonders empfindlichen Reaktion auf Steuersatzunterschiede" zu Wettbewerbsverzerrungen kommen könnte.[1] So hätte z. B. Dänemark, in dem nahezu keine Fahrzeuge hergestellt werden und wo Fahrzeuglieferungen damals bereits mit 25 % USt besteuert wurden, ohne die Sonderregelung für Fahrzeuge mit einem erheblich zurückgehenden USt-Aufkommen rechnen müssen, weil dänische Letztverbraucher wegen des für sie geltenden Ursprungslandprinzips für ihre Neufahrzeuge in die niedriger besteuernde benachbarte Bundesrepublik Deutschland (mit einem allgemeinen Steuersatz, der zum 1.1.1993 von 14 auf 15 % erhöht wurde) ausgewichen wären.[2] Die Sorge um das USt-Aufkommen einzelner EU-Mitgliedstaaten war auch der Grund für die Richtlinie 94/5/EG zur Ergänzung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems und zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG[3], wonach motorbetriebene Landfahrzeuge auch dann noch als neu beurteilt werden, wenn sie statt 3.000 km nicht mehr als 6.000 km zurückgelegt hatten und beim Erwerb nicht älter als sechs Monate (statt drei Monate) waren (Rz. 7).
  • Zum anderen kann das Bestimmungsland den Erwerb eines neuen motorbetriebenen Landfahrzeugs und eines Luftfahrzeugs auch bei Privatleuten wegen der erforderlichen verkehrsrechtlichen Zulassung verhältnismäßig einfach kontrollieren (Rz. 4ff.).
 

Rz. 12

In erster Linie hat man bei den Sonderregelungen für neue Fahrzeuge sicherlich an Personenkraftwagen – Pkw – gedacht. Gleichwohl sind sowohl nach der 6. EG-Richtlinie als auch nach der MwStSystRL (Rz. 6ff.) und dementsprechend auch im deutschen Recht alle Landfahrzeuge ab einer bestimmten Motorleistung und -größe, größere Wasserfahrzeuge und sogar bestimmte Luftfahrzeuge in die Sonderregelung einbezogen worden.

[1] Rokos, UR 1992, 89, II, 2 b; Widmann, UR 1992, 249, 254.
[2] Georgy, UR 1993, 8.
[3] Richtlinie 94/5/EG – Sonderregelung für Gebrauchtgegenstände, Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten v. 14.2.1994, ABl. EG 1994 Nr. L 60, 16.

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