Rz. 68

Nach dem Inhalt der Vorschriften des § 97 AO und des § 18d UStG ist der Begriff der Urkunde der Sammelbegriff der vorzulegenden Bücher, Aufzeichnungen und Geschäftspapiere. Nach dem Sprachgebrauch sind solche Urkunden, die in einem Schriftstück verkörperten oder auf Daten- oder Bildträgern festgehaltenen Gedankenerklärungen, welche allgemein oder für Eingeweihte verständlich sind, den Urheber erkennen lassen und zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache geeignet sind.[1] Urkunden sind demnach keinesfalls nur notarielle Urkunden, der Begriff ist vielmehr weit; darunter fallen im Prinzip sämtliche Geschäftsunterlagen eines Unternehmers.[2]

 

Rz. 69

Urkunden sind demnach z. B. Bankauszüge, Briefe, Telegramme und Spendenbescheinigungen[3], vor allem aber sind es – bezogen auf § 18d UStG und das Umsatzsteuerrecht – sämtliche Belege wie Rechnungen, Versandbestätigungen, Abholbestätigungen u. Ä., welche zu einem konkreten Geschäftsvorfall oder in einer bestimmten Zeitperiode entstanden sind. Problematisch kann das Verlangen zur Vorlage privater Belege sein, wie etwa der privaten Konto- oder Bankauszüge. Deren Vorlage kann wohl grundsätzlich verlangt werden – sofern sie denn in der Verfügungsmacht des Betroffenen stehen –, derartige Verlangen müssen allerdings immer verhältnismäßig sein und außerdem dürfen keine Ermittlungen "ins Blaue hinein" oder "Rasterfahndungen" erfolgen.[4] Im Rahmen von Vorlageverlangen nach § 18d UStG dürfte diese Frage allerdings nur selten relevant werden. Hier kann es nur um die Erlangung von Informationen über Geschäftsvorfälle, welche der Unternehmer mit einem anderen Unternehmer in einem anderen Mitgliedstaat ausgeführt hat, gehen, nicht aber um die Feststellung unversteuerter Einnahmen und die damit verbundene Zuschätzung von Einnahmen. Ein Vorlageverlangen der genannten Unterlagen dürfte somit i. d. R. nicht erforderlich und damit auch unverhältnismäßig sein.

 

Rz. 70

Der Vorlagepflicht unterliegen natürlich auch Urkunden, die auf einem "Bildträger"[5] oder – wesentlich praxisrelevanter – auf einem Datenträger gespeichert sind.[6] Der über § 18d S. 3 UStG anwendbare § 97 Abs. 2 S. 2 AO erklärt wiederum ausdrücklich die Regelung des § 147 Abs. 5 AO für entsprechend anwendbar. Die in dieser Vorschrift vorgesehene Verpflichtung zur Gewährung der Lesbarkeit von Daten sowie das gewährte Recht zur Einsicht in die EDV des Betroffenen ist unverzichtbar, weil viele Unternehmen ihre Unterlagen nur noch zu einem geringen Teil in Papierform führen. Die Notwendigkeit einer solchen Vorlagepflicht ist durch die weitgehende Zulassung der elektronischen Rechnung durch den ab 1.7.2011 neu gefassten § 14 UStG[7] unabwendbar geworden, da die Einsicht in die Rechnungen für die Auskünfte nach der Zusammenarbeits-VO oft unerlässlich sind.

 

Rz. 71

Ausdrücklich hinzuweisen ist aber darauf, dass der Finanzbeamte bei Maßnahmen nach § 18d UStG ohne das Einverständnis des Betroffenen nicht dazu berechtigt ist, die EDV zu sichten, er darf sie insbesondere nicht selber in Betrieb nehmen und gar "durchsuchen". Er darf die Einsicht zwar verlangen, aber i. d. R. nicht selber durchsetzen.[8] Die Finanzbehörde hat demnach bei dieser Form der Aufbewahrung nur "ein Recht zur Vorlage der Unterlagen" und zur "Lesbarmachung" von EDV-Daten.[9] Im Einzelfall kann der Prüfer m. E. auf den Ausdruck der relevanten Daten bestehen, was wohl vor allem dann erforderlich ist, wenn diese Unterlagen zur Beantwortung des Auskunftsersuchens mit zu übersenden sind, denn ansonsten liegen sie nicht in einer verkörperten Form vor. Es dürfte aber möglich sein – vor allem bei einer großen Anzahl von Urkunden –, dass dem Prüfer ein Datenträger oder eine Datei "übergeben" wird, dieser Datensatz muss dann als Anlage zu dem Auskunftsersuchen übersendet werden.

 

Rz. 72

Verlangt werden kann im Übrigen – bei in Papierform geführten Unterlagen – immer die Vorlage der Originalurkunden[10], nur sie haben den vollen Beweiswert. Die Finanzbehörde kann sich allerdings nach ihrem Ermessen auch mit der Vorlage von Kopien einverstanden erklären. Dies ist m. E. dann ausreichend, wenn es nur auf den Aussagegehalt – den Inhalt – einer Urkunde ankommt und nicht auf ihre Echtheit. Im Übrigen dürfte diese Frage in der Praxis eine immer geringere Rolle spielen, weil die meisten Dokumente ohnehin nur noch in digitaler Form vorliegen.

 

Rz. 73

Die Vorlagepflicht bezieht sich nur auf Urkunden, die sich in der Verfügungsmacht des zur Vorlage Aufgeforderten befinden. Hat der zur Vorlage "Aufgeforderte" Anspruch auf Herausgabe der angeforderten Urkunde gegenüber einem Dritten, so kann verlangt werden, dass er ihn gegenüber diesem Dritten geltend macht, um seine Vorlagepflicht gegenüber der Finanzbehörde zu erfüllen.[11] Ansonsten besteht eine solche Verpflichtung zur Verschaffung von Urkunden aber nicht.

Rz. 74 – 75 einstweilen frei

[1] Vgl. zu dem Begriff Seer, in Tipke/Kruse, AO, § 97 AO Rz. 2; Rätke, in Klein, AO, § 97 AO Rz. 8 und Kraeusel, in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, ...

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