Rz. 45

Zur Wahrung der hoheitlichen Rechte der einzelnen Mitgliedstaaten und wegen der nicht vollständig übereinstimmenden Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten lässt die Zusammenarbeits-VO bestimmte Beschränkungen der Übermittlung von Informationen zu. Nach Art 54 Abs. 2 sind die Behörden eines Mitgliedstaats nicht zu solchen Ermittlungen oder zur Übermittlung von Informationen verpflichtet, wenn die gesetzlichen Vorschriften oder die Verwaltungspraxis in diesem Mitgliedstaat der Beschaffung oder Verwertung solcher Informationen für seine eigenen Zwecke entgegenstehen. Die Übermittlung von Informationen kann insbesondere abgelehnt werden, wenn der interessierte Mitgliedstaat zur Übermittlung entsprechender Auskünfte aus rechtlichen Gründen gehindert ist.[1] Die Gründe für diese Ablehnung werden von dem ersuchten Staat auch der Europäischen Kommission mitgeteilt.[2] Die Übermittlung von Informationen kann auch abgelehnt werden, wenn sie zur Preisgabe eines Geschäfts-, Industrie- oder Berufsgeheimnisses oder eines "Geschäftsverfahrens" führen oder wenn die Verbreitung der betreffenden Informationen gegen die öffentliche Ordnung verstoßen würde.[3] Ein "Geheimnis" i. d. S. liegt vor, wenn es sich um Tatsachen und Umstände handelt, die von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung und praktisch nutzbar sind und deren unbefugte Nutzung zu beträchtlichen Schäden führen könnte.[4] In einem solchen Fall hat die ersuchte Behörde die Gründe der Ablehnung an die ersuchende Behörde mitzuteilen.[5] Zu beachten ist, dass eine Bereitstellung von Informationen in keinem Fall aus den in Art. 54 Abs. 5 Zusammenarbeits-VO genannten Gründen – z. B. weil sich diese Informationen bei einer Bank oder einem Treuhänder befinden – versagt werden darf.[6]

 

Rz. 46

In Art. 54 Abs. 7 Zusammenarbeits-VO ist weiter vorgesehen, dass in dem nach Art. 58 Abs. 2 Zusammenarbeits-VO[7] festgelegten Verfahren ein Mindestbetrag festgesetzt werden kann, ab dem ein Amtshilfeersuchen zulässig ist. Allgemein ist in Anbetracht der Arbeitsbelastung der meisten Finanzbehörden allerdings kaum damit zu rechnen, dass einzelne Mitgliedstaaten von dieser Auskunftsmöglichkeit bei Bagatellsachverhalten Gebrauch machen werden.

 

Rz. 47

Zu beachten ist im Übrigen die Abgrenzung zur sonstigen Amtshilfe. Das in Deutschland seit dem Jahr 2013 geltende Gesetz über die Durchführung der gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-Amtshilfegesetz)[8] gilt nach seinem Wortlaut in § 1 Abs. 2 Nr. 1 EUAHIG aber nicht bei der Umsatzsteuer, insoweit besteht hier das früher vorliegende Nebeneinander der Vorschriften zur Amtshilfe nicht mehr. Das ist konsequent, denn die Zusammenarbeits-VO ist die speziellere Regelung und sie gilt als EU-Verordnung unmittelbar in allen Mitgliedstaaten[9], darüber hinaus sieht sie ein weitgehend standardisiertes Verfahren vor.

 

Rz. 48

Eine Abgrenzung zur Rechtshilfe erscheint jedenfalls auf einen ersten Blick einfach, weil Rechtshilfe nur im Strafverfahren und nicht im Besteuerungsverfahren durch die Justizbehörden der Mitgliedstaaten geleistet werden kann.[10] Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass grenzüberschreitende umsatzsteuerliche Sachverhalte sehr häufig in dem Grenzbereich zwischen Straf- und Besteuerungsverfahren angesiedelt sind. Nicht umsonst nennt der Rat der Europäischen Kommission in den einleitenden Erwägungen zur Zusammenarbeits-VO die Bekämpfung der Steuerhinterziehung und Steuerumgehung über die Grenzen der Mitgliedstaaten als wesentlichen Grund für die Schaffung der Verordnung.[11] Sollten nun im Einzelfall bereits strafrechtliche Ermittlungen stattfinden, dann steht grundsätzlich neben der Zusammenarbeits-VO das Instrumentarium der internationalen Rechtshilfe zur Verfügung, welches mitunter auch eine Durchsuchung in einem anderen Staat ermöglichen kann. Gerade für reine Vorermittlungen und alle umsatzsteuerlichen Fälle, in denen noch kein strafrechtlicher Anfangsverdacht besteht[12], bietet aber in erster Linie das Verfahren nach der Zusammenarbeits-VO die Rechtsgrundlage für grenzüberschreitende Ermittlungen. Klar hinzuweisen ist darauf, dass Maßnahmen nach der Zusammenarbeits-VO und § 18d UStG ausschließlich dem Besteuerungsverfahren zuzuordnen sind; diese können aber u. U. auch neben einem Strafverfahren ausgeführt werden.[13]

 

Rz. 49

Allgemein anzumerken bleibt, dass generell dann bei gewichtigen umsatzsteuerlichen Sachverhalten mit Blick auf Auskunftsersuchen Vorsicht geboten ist, wenn (wenigstens) die Vermutung der Begehung von Straftaten besteht. Alle Ermittlungen in einem anderen Mitgliedstaat mit Außenwirkung bergen immer die Gefahr, dass sie den Erfolg weiterer strafrechtlicher Ermittlungen im Ausland und vor allem im Inland gefährden. Wird der ausländische Abnehmer dort von seiner Finanzbehörde aufgesucht, dann wird er bei einem tatsächlichen Betrugssachverhalt alle Mittäter warnen und diese Beteiligten haben Zeit dazu, Beweismittel zu vernichten, zu manipulieren ...

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