Rz. 102

Im Umsatzsteuerrecht richtet sich die Vereinnahmung nach Grundsätzen, die z. T. vergleichbar sind mit den einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen zum Zufluss von Einnahmen i. S. v. § 11 Abs. 2 EStG. Eine Vereinnahmung des Entgelts liegt vor, wenn dem Unternehmer das Entgelt in der Weise zugeflossen ist, dass er wirtschaftlich darüber verfügen kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Zufluss endgültigen Charakter hat. Eine Vereinnahmung liegt vielmehr auch dann vor, wenn nicht feststeht, ob das Entgelt später ganz oder z. T. zurückgewährt werden muss. Das folgt aus der Existenz des § 17 UStG.[1]

 

Rz. 103

Regelmäßig ist das Entgelt vereinnahmt, wenn es dem Empfänger bei Barzahlung persönlich oder an einen von ihm hierzu Beauftragten ausgehändigt ist. Bei Überweisung auf ein Bank- oder Postgirokonto kommt es auf den Zeitpunkt der Gutschriften an.[2] Dass der Unternehmer über den gutgeschriebenen Betrag frei verfügen kann, ist dabei nicht zwingend erforderlich. So stehen öffentlich-rechtliche Verfügungsbeschränkungen (z. B. Devisenvorschriften) oder Bestimmungen, die eine Verwendung nur für bestimmte Zwecke oder für einen bestimmten Zeitraum zulassen, einer Vereinnahmung nicht entgegen.[3]

 

Rz. 104

Auch bei Gutschriften auf ein Konto des Empfängers unter Vereinbarung einer Sperrklausel liegt regelmäßig eine Vereinnahmung vor, da sich der Unternehmer in seiner Verfügung über den eingezahlten Betrag selbst beschränkt.[4] Erfolgt die Sperrung hingegen auf Veranlassung des Zahlenden, so hat die Gutschrift mehr den Charakter einer Hinterlegung, sodass erst mit der Aufhebung des Sperrvermerks eine Vereinnahmung durch den Empfänger erfolgt.

 

Rz. 105

Im echten Kontokorrentverkehr galt nach früherer Ansicht das Leistungsentgelt bereits mit der Einstellung in das Kontokorrent als vereinnahmt.[5] Die gutgeschriebenen Beträge wurden danach also nicht erst mit der Saldierung vereinnahmt, sondern bereits mit der Verbuchung in der laufenden Rechnung. In Anpassung an die handelsrechtliche Betrachtungsweise in § 355 HGB sieht die Verwaltung ab 1996 das Entgelt beim Kontokorrentverkehr erst mit der Anerkennung des Saldos am Ende eines Abrechnungszeitraums als vereinnahmt an.[6]

 

Rz. 106

Wird ein Wechsel zahlungshalber hereingenommen, so gilt das Entgelt erst mit dem Tag der Einlösung oder – bei Weitergabe an einen Dritten – mit dem Tag der Gutschrift oder Wertstellung als vereinnahmt.[7] Demgegenüber ist ein Scheckbetrag nicht erst mit der Einlösung des Schecks, sondern bereits mit dessen Hingabe zugeflossen, wenn der sofortigen Vorlage des Schecks keine zivilrechtlichen Abreden entgegenstehen und wenn davon ausgegangen werden kann, dass die bezogene Bank im Fall der sofortigen Vorlage des Schecks den Scheckbetrag auszahlen oder gutschreiben wird.[8]

 

Rz. 107

Auch eine Gutschrift in den Büchern des Entgeltverpflichteten (z. B. die Gutschrift von fälligen Provisionen eines Handelsvertreters in den Büchern seines Unternehmers) ist als Vereinnahmung zu werten, wenn die gutgeschriebenen Beträge jederzeit zur Abhebung bereitliegen.[9] Nach der Rechtsprechung gilt dies selbst dann, wenn sich die Verfügungsmöglichkeit infolge Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Entgeltverpflichteten später verschlechtert oder gar entfällt[10]; die dadurch eingetretene Entgeltreduzierung ist im Rahmen des § 17 UStG zu berücksichtigen. Der RFH hat sogar einen auf einem Sonderkonto "Rückstellung für Pachtverpflichtungen" gutgeschriebenen Pachtzins mit der Buchung als vom Verpächter vereinnahmt angesehen, obwohl während der Pachtzeit nur der Pächter, allerdings nur für Rechnung des Verpächters, nicht aber der Verpächter selbst über das Sonderkonto verfügen konnte.[11] Diesem Urteil ist m. E. nicht zu folgen, da nicht zu erkennen ist, worin die wirtschaftliche Verfügungsmöglichkeit des Entgeltempfängers zu sehen sein soll.[12]

 

Rz. 108

Zu Recht hat der BFH die zur Annahme einer Entgeltvereinnahmung erforderliche Verfügungsmöglichkeit verneint, wenn der Entgeltverpflichtete vereinbarungsgemäß einen Teil des Entgelts auf einem Sonderkonto ("Reklame-Fonds") mit Rückstellungscharakter gutschreibt, über das der Entgeltverpflichtete – wenn auch nur mit Zustimmung des Vertragspartners – verfügen kann.[13] Ebenfalls verneint hat der BFH eine Entgeltvereinnahmung, wenn die gutgeschriebenen Beträge im Zeitpunkt der Gutschrift nicht fällig waren und das Guthaben nicht verzinst wird.[14]

 

Rz. 109

Bei der Abtretung der Entgeltforderung an einen Dritten (i. d. R. ein Finanzierungsinstitut) zum Zweck der Refinanzierung muss man unterscheiden, ob die Abtretung zahlungshalber[15] oder an Zahlungs statt[16] erfolgt. Bei der Abtretung an Zahlungs statt erfolgt der Zufluss beim Abtretungsempfänger im Zeitpunkt der Abtretung in Höhe des wirtschaftlichen Werts, welcher der Forderung im Abtretungszeitpunkt zukommt. Wird die Forderung zahlungshalber abgetreten, so gilt das nur, wenn es sich um eine fällige, unbestrittene und einziehbare Forderung handelt. Andernfalls wird das E...

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