Rz. 156

Im Einzelnen fallen unter Nr. 1 der Anlage 2 des UStG:

a)

Bis 30.6.2012: Lebende Pferde einschließlich reinrassiger Zuchttiere, ausgenommen Wildpferde (aus Position 0101 des Zolltarifs).

Hierzu gehörten alle Pferde einschließlich Kleinpferde (Hengste, Wallache, Stuten, Fohlen), auch Reitpferde und Rennpferde (aus Position 0101 des Zolltarifs).

Hierzu gehören nicht

  1. Wildpferde, z. B. Przewalski-Pferde oder Tarpane (Mongolei) (Position 0101 des Zolltarifs);
  2. Zebras und Zebroide (Kreuzung aus Zebrahengst und Pferdestute), obwohl sie zur Familie der Pferde (Equidae) gehören (Position 0106 des Zolltarifs).

Beim Handel mit Reitpferden (Springpferden) auf Provisionsbasis werden keine Lieferungen ausgeführt, sondern Vermittlungsleistungen (sonstige Leistungen) erbracht, auf die der ermäßigte Steuersatz nicht angewendet werden kann.[1] Bei der Einräumung von Miteigentumsanteilen, z. B. an einem Pferd, handelt es sich nach der Verwaltungsauffassung ebenfalls um eine – nicht begünstigte – sonstige Leistung.[2] Nach der älteren BFH-Rechtsprechung konnte es dahinstehen, ob die Übertragung von Miteigentumsanteilen an einem Reitpferd als Lieferung oder als sonstige Leistung anzusehen ist; der ermäßigte Steuersatz kommt – auch bei Umsätzen vor dem 1.7.2012 – weder in dem einen noch in dem anderen Fall zur Anwendung.[3] Nach seiner jüngeren Rechtsprechung hält es der BFH für möglich, dass die Veräußerung des Miteigentumsanteils an einer Sache (im Urteilsfall an einem wertvollen Buch) Gegenstand einer Lieferung sein kann.[4]

 

Rz. 157

Nach Auffassung der EU-Kommission gilt für die Lieferungen lebender Tiere, die nicht als Nahrungsmittel bestimmt sind, zwingend der allgemeine Steuersatz. Wie einige andere EU-Mitgliedstaaten auch (z. B. die Niederlande, Frankreich, Österreich), wendete die Bundesrepublik Deutschland den ermäßigten Steuersatz bis zum 30.6.2012 auf alle Pferde an, ohne zu unterscheiden, für welchen Zweck die Pferde bestimmt sind. Deshalb hat die EU-Kommission am 19.11.2009 Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland erhoben.[5] Nach Ansicht der EU-Kommission hat Deutschland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 96 und 98 i. V. m. Anhang III der MwStSystRL verstoßen, dass nach dem deutschen Recht auf die Lieferungen, die Einfuhren und den innergemeinschaftlichen Erwerb bestimmter lebender Tiere, insbesondere von Pferden, die nicht für die Zubereitung von Nahrungs- oder Futtermitteln verwendet werden, der ermäßigte Steuersatz angewendet wird. In den Verfahren gegen Deutschland, Österreich und die Niederlande hat der EuGH[6] die Auffassung der EU-Kommission im Wesentlichen bestätigt, wonach es Zweck dieser Vorschriften sei, alle Produkte bevorzugt zu behandeln, die der Nahrungs- und Futtermittelproduktion zugeführt werden. Durch die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes auf sämtliche Lieferungen, Einfuhren und innergemeinschaftlichen Erwerbe von Pferden haben Deutschland, Österreich und die Niederlande nach der EuGH-Entscheidung gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 12 i. V. m. Anhang H der 6. EG-Richtlinie bzw. Art. 96 bis 99 Abs. 1 i. V. m. Anhang III der MWStSystRL verstoßen. In der Literatur war dagegen bezweifelt worden, ob eine solche zweckgerichtete Auslegung der MwStSystRL dem EU-Recht entspricht.[7]

Der deutsche Gesetzgeber hat die EuGH-Rechtsprechung zum Anlass genommen, Buchst. a der Nr. 1 der Anlage 2 des UStG mWv – 1.7.2012 komplett zu streichen und damit die Steuerermäßigung für alle Arten von Pferden aufzuheben.[8] Zwar wäre es nach der MwStSystRL möglich gewesen, den Verkauf eines Pferdes für Schlachtzwecke weiterhin unter die Steuerermäßigung fallen zu lassen. Hiervon hat der Gesetzgeber aber aus Vereinfachungsgründen und zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten abgesehen, weil Pferdefleisch im Jahr 2012 nur einen Anteil von 0,037 % an der gesamten Fleischproduktion habe. Auch der Einsatz von Pferden in der Landwirtschaft sei nicht sehr intensiv.

In einer späteren Entscheidung räumte der BFH dem Käufer eines Springpferdes sogar den Vorsteuerabzug auf der Grundlage des allgemeinen Steuersatzes ein, obwohl der Verkauf des Pferdes im Jahr 2011 nach deutschem Recht noch dem ermäßigten Steuersatz unterlag (Nr. 1 Buchst. a der Anlage 2 des UStG i. d. F. bis 30.6.2012). Sieht das nationale Recht für eine Leistung den ermäßigten Steuersatz vor, während sie nach dem Unionsrecht dem Regelsteuersatz unterliegt, kann sich der zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts berufen und – bei Vorliegen der weiteren z. B. rechnungsmäßigen Voraussetzungen – den Vorsteuerabzug nach dem für ihn günstigeren Regelsatz in Anspruch nehmen.[9]

 

Rz. 158

b)

Lebende Maultiere und Maulesel (aus Position 0101 des Zolltarifs).

Ein Maultier ist eine Kreuzung zwischen Eselhengst und Pferdestute, ein Maulesel eine Kreuzung zwischen Pferdehengst und Eselstute.

Hierzu gehören nicht Esel (Hausesel und alle anderen Esel) (Unterposition 0101 2010 des Zolltarifs). Die FDP-Fraktion des ...

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