1 Entstehung und Bedeutung der Vorschrift, Steueraufkommen

1.1 Entwicklung des § 12 Abs. 2 UStG

 

Rz. 1

Obwohl nach dem Unionsrecht zwei ermäßigte Umsatzsteuersätze zulässig wären (§ 12 UStG Rz. 98), gab es in Deutschland seit Einführung der MwSt zum 1.1.1968 bis zum 31.12.2022 neben dem allgemeinen Steuersatz[1] nur einen ermäßigten Steuersatz. Die Rechtsgrundlage hierfür ergibt sich aus § 12 Abs. 2 UStG. Die Vorschrift ist aufgrund von Anhebungen (Erhöhungen) des ermäßigten Steuersatzes mehrfach geändert worden. Der ermäßigte Steuersatz beträgt

 
  • v. 1.1.1968 bis 30.6.1968:
5 %,
  • v. 1.7.1968 bis 31.12.1977:
5,5 %,
  • v. 1.1.1978 bis 30.6.1979:
6 %,
  • v. 1.7.1979 bis 30.6.1983:
6,5 %,
  • v. 1.7.1983 bis 30.6.2020:
  • v. 1.7.2020 bis 31.12.2020:
  • ab 1.1.2021:

7 %,

5 %,

7 %.

und gilt für die in § 12 Abs. 2 Nr. 1 bis 15 UStG im Einzelnen bezeichneten Umsätze. Weitere ermäßigte Steuersätze, stark ermäßigte Steuersätze, einen Nullsteuersatz oder Zwischensteuersätze hatte der Gesetzgeber bislang ausdrücklich abgelehnt (§ 12 UStG Rz. 8ff.).

 

Rz. 1a

Aus umweltpolitischen Gründen und zum Bürokratieabbau wurde durch das Jahressteuergesetz 2022[2] allerdings erstmals in Deutschland mWv 1.1.2023 ein sog. Nullsteuersatz eingeführt (neuer § 12 Abs. 3 UStG). Da die Anwendung des neuen ermäßigten Steuersatzes von 0 % auf die begünstigten Umsätze den Vorsteuerabzug nicht ausschließt, entfaltet der neue Nullsteuersatz im Ergebnis die gleiche Wirkung wie eine Steuerbefreiung mit Vorsteuerabzug i. S. d. § 4 Nr. 1 bis 7 UStG (§ 12 UStG Rz. 67f). Der Nullsteuersatz ist nach der Verwaltungsauffassung umsatzsteuersystematisch ein weiterer ermäßigter Steuersatz.[3] Nach § 12 Abs. 3 UStG ist der Nullsteuersatz anzuwenden auf

  1. die Lieferung von Solarmodulen an den Betreiber einer Fotovoltaikanlage einschließlich der für den Betrieb einer Fotovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und der Stromspeicher (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG),
  2. den innergemeinschaftlichen Erwerb derartiger Fotovoltaikanlagen (§ 12 Abs. 3 Nr. 2 UStG),
  3. die Einfuhr derartiger Fotovoltaikanlagen (§ 12 Abs. 3 Nr. 3 UStG) und
  4. die Installation von Fotovoltaikanlagen und der Stromspeicher (§ 12 Abs. 3 Nr. 4 UStG).

Eine weitere Besonderheit des neuen Nullsteuersatzes besteht darin, dass er nur auf Umsätze an den Betreiber einer Fotovoltaikanlage anzuwenden ist, nicht jedoch auf die entsprechenden Umsätze auf der Vorstufe (z. B. vom Hersteller an Großhändler, von Großhändlern an Lieferanten oder Leasingunternehmer). Mit der Einführung des Nullsteuersatzes hat der deutsche Gesetzgeber von Art. 98 Abs. 2 i. V. m. Anhang III Nr. 10c MwStSystRL i. d. F. ab 6.4.2022 Gebrauch gemacht (§ 12 UStG Rz. 106j). Zum Gesetzgebungsverfahren, den unionsrechtlichen Grundlagen, der Abgrenzung begünstigter und nicht begünstigter Umsätze sowie zu zahlreichen weiteren mit dem Nullsteuersatz verbundenen Aspekten wird auf die Kommentierung der neuen Vorschrift verwiesen (§ 12 Abs. 3 UStG Rz. 1ff).

 

Rz. 2

Die Erhöhungen des ermäßigten Steuersatzes beruhten auf folgenden Gesetzen:

  • Die Anhebung von 5 auf 5,5 % zum 1.7.1968 beruhte auf Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des UStG (Mehrwertsteuer) v. 18.10.1967.[4]
  • Durch Art. 1 Nr. 1 des Steueränderungsgesetzes 1977 v. 16.8.1977[5] wurde der ermäßigte Steuersatz zum 1.1.1978 von 5,5 auf 6 % erhöht.
  • Die Anhebung von 6 auf 6,5 % zum 1.7.1979 beruhte auf Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Steueränderungsgesetzes 1979 v. 30.11.1978.[6]
  • Die bisher letzte Erhöhung des ermäßigten Steuersatzes zum 1.7.1983 von 6,5 auf 7 % ging auf Art. 5 Nr. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 v. 20.12.1982[7] zurück.
  • Eine auf die Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 befristete Senkung des ermäßigten Steuersatzes auf 5 % beruhte auf Art. 3 Nr. 3 des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes v. 30.6.2020.[8]

    Geändert wurde durch dieses Gesetz nicht etwa § 12 Abs. 2 UStG selbst, sondern in § 28 Abs. 2 UStG (Zeitlich begrenzte Fassung einzelner Gesetzesvorschriften) wurde geregelt, dass § 12 Abs. 2 UStG im Zeitraum vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass sich die Steuer für die in den Nrn. 1 bis 15 der Vorschrift genannten Umsätze auf 5 % ermäßigt (§ 12 UStG Rz 30ff.).

 

Rz. 3

Bei allen späteren Erhöhungen des allgemeinen Steuersatzes ist der ermäßigte Steuersatz unverändert geblieben, sodass der ermäßigte Steuersatz von 7 % – lediglich unterbrochen durch die befristete Absenkung auf 5 % im 2. Halbjahr 2020 – seit dem 1.7.1983 und damit für eine eher ungewöhnlich lange Zeit Bestand hat. Sowohl bei der Anhebung des allgemeinen Steuersatzes zum 1.1.1993 von 14 auf 15 % durch Gesetz v. 25.2.1992[9], bei der Anhebung des allgemeinen Steuersatzes zum 1.4.1998 von 15 auf 16 % durch Gesetz v. 19.12.1997[10] als auch bei der Anhebung des allgemeinen Steuersatzes zum 1.1.2007 von 16 auf 19 % durch Gesetz v. 29.6.2006[11] ist der ermäßigte Steuersatz von 7 % beibehalten worden.

[2] Art. 16 Nr. 5 des Jahressteuergesetzes 2022 v. 16.12.2022, BGBl I 2022, 2294.
[3] Vgl. die Aufnahme des Nullsteuersatzes in die zeitliche Auflistung der ermäßigten Steuersätze in Abschn. 12.1 Abs. 1 S. 1 ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge