Rz. 520

Die Regelung des § 10 Abs. 5 UStG über die Mindestbemessungsgrundlage zielt wie die Regelungen über die Steuerbarkeit der fiktiven Lieferungen und fiktiven sonstigen Leistungen gem. § 3 Abs. 1b S. 1 Nr. 1–3 undAbs. 9a Nr. 1 und 2 oder vor dem 1.4.1999 die Steuerbarkeit des Eigenverbrauchs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b UStG a. F., die Arbeitnehmer-Sachzuwendungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG a. F.), die Leistungen der Vereinigungen, Gesellschaften usw. an ihre Mitglieder, Beteiligten usw. (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UStG a. F.) und über den innergemeinschaftlichen Erwerb mittels Verbringens von Gegenständen aus einem EU-Land in das Inland bzw. aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§§ 1a Abs. 2, 3 Abs. 1a UStG) auf eine möglichst vollständige und gleichmäßige Belastung jedes Endverbrauchs mit USt ab. Im Gegensatz zu den anderen eben genannten Fällen außer dem Verbringen ist in den Fällen der Mindestbemessungsgrundlage stets ein Entgelt vorhanden, das allerdings in den Augen des nationalen deutschen Gesetzgebers zu niedrig ist. Wegen des Vorhandenseins eines Entgelts brauchte und konnte hier nicht erst die Existenz eines steuerbaren Umsatzes angeordnet werden. Es reichte vielmehr nach Auffassung des Gesetzgebers eine Regelung zur Bemessungsgrundlage aus, die die teilweise Nichtbelastung mit USt durch das zu niedrige Entgelt verhindert. Für eine solche Regelung ergaben und ergeben sich allerdings aus dem Unionsrecht erhebliche Einschränkungen.

 

Rz. 521

Eine solche von der Bemessung nach dem vorhandenen Entgelt abweichende Regelung sieht allerdings weder die MwStSystRL noch sah sie zuvor die 6. EG-Richtlinie selbst vor. Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL und Art. 27 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie erlauben bzw. erlaubten der EG-Kommission allerdings, ein Mitgliedsland zu ermächtigen, von der Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, "um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhüten". Die Regelung über die Mindestbemessungsgrundlage beruht "offenbar" auf einer solchen Ermächtigung[1], die nach Art. 395 Abs. 2 MwStSystRL als erteilt gilt, wenn die EU-Kommission nicht innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Information an die anderen Mitgliedsländer über den Antrag des Mitgliedslands die Angelegenheit im Rat erörtert. Da § 10 Abs. 5 UStG auf Art. 27 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie[2] basiert, kann sie sich auch nur im Anwendungsbereich dieser Vorschrift bewegen.[3] Deswegen setzt die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 UStG die Gefahr von Steuerhinterziehungen oder –umgehungen voraus.[4] Das soll nicht der Fall sein, wenn der Unternehmer zwar von einer nahe stehenden Person ein niedrigeres als das marktübliche Entgelt fordert, seine Leistung aber in der Höhe des marktüblichen Entgelts versteuert.[5] Im Übrigen soll die Mindestbemessungsgrundlage bei Leistungen an einen zum vollen Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmer dann nicht anzuwenden sein, wenn der vom Leistungsempfänger in Anspruch genommene Vorsteuerabzug keiner Vorsteuerabzugsberichtigung nach § 15a UStG unterliegt.[6] Dann besteht nämlich auch keine Gefahr, dass dann keine die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage rechtfertigende Gefahr der Steuerhinterziehung oder –umgehung besteht.[7]

 

Rz. 522

Eine Höchstbemessungsgrundlage kennt das Umsatzsteuerrecht nicht. Eine solche wäre auch mit der MwStSystRL nicht zu vereinbaren.[8] Deswegen ist ein objektiv zu hohes Entgelt auch dann anzusetzen, wenn es ertragsteuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehen ist.[9]

 

Rz. 523

Zum Anwendungsbereich der Mindestbemessungsgrundlage gilt Folgendes: Wie früher bei der Entwicklung der Eigenverbrauchstatbestände selbst (zunächst nur Entnahmetatbestand, später Verwendungstatbestand, schließlich auch alle sonstigen Leistungen sowie eigenverbrauchsähnlichen Tatbestände) ist der Gesetzgeber zunächst den Weg gegangen, die Regelung nicht für alle in Betracht kommenden Fälle, sondern nur für diejenigen einzuführen, die in der Praxis typischerweise und am meisten vorkommen. Das waren vor dem 1.4.1999 und sind auch gemäß UStG und seit dem 1.4.1999 bis heute folgende Fälle:

  • Lieferungen und sonstige Leistungen der Vereinigungen, Gesellschaften usw. an ihre Mitglieder, Gesellschafter usw. oder diesen nahe stehende Personen;
  • Lieferungen und sonstige Leistungen von Einzelunternehmern an ihnen nahe stehende Personen;
  • Arbeitnehmer-Sachzuwendungen.
 

Rz. 524

In diesen Fällen sollen die Lieferungen und sonstigen Leistungen mindestens so hoch besteuert werden wie die entsprechenden unentgeltlichen Leistungen nach § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1–3 UStG.

 

Rz. 525

Außer den Arbeitnehmer-Sachzuwendungen handelt es sich um Umsätze an nahe Stehende. Es ist – abgesehen von den unionsrechtlichen Voraussetzungen – nicht verständlich, weswegen nicht auch in allen anderen Fällen des zu niedrigen Entgelts eine Korrektur auf eine Mindestbemessungsgrundlage vorgenommen werden soll. Davon dürften nur recht wenige über die geregelten Fäll...

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