Rz. 476b

Aufgrund der Ergänzung des § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG um die S. 2 u. 3 und deren Anwendbarkeitserklärung in Abs. 4 S. 1 Nr. 3 S. 1 durch das Richtlinien-UmsetzungsG[1] mit Rückwirkung ab 1.7.2004 bilden ab 1.7.2004 zum einen die Ausgaben anstatt der Kosten die Bemessungsgrundlage für die Fälle der fiktiven sonstigen Leistungen. Zum anderen sollen die Anschaffungs- und Herstellungskosten des verwendeten Wirtschaftsguts zu den Ausgaben gehören, wenn sie nicht unter 500 EUR betragen. Das ist z. B. beim Betrieb von Anlagen zur Erzeugung von Strom und Wärme wie z. B. Fotovoltaikanlagen, Blockheizwerke bei unentgeltlicher Zurverfügungstellung der Nutzwärme der Fall.[2] Gegenüber der bisher verwendeten einkommensteuerlichen Abschreibung auf das Wirtschaftsgut ergibt sich durch die Heranziehung des Berichtigungszeitraums des § 15a Abs. 1 UStG, dass nunmehr auch der – nicht einer Abschreibung unterliegende – Grund und Boden in die Bemessungsgrundlage einbezogen wird. Das ergibt insbesondere für die unentgeltliche Verwendung von dem Unternehmen zugeordneten Gegenständen "Ausgaben" ohne Wertverzehr. Als Bemessungsgrundlage ergibt sich wegen des Berichtigungszeitraums von 10 Jahren nach § 15a Abs. 1 S. 2 UStG bei Grundstücken ein Betrag i. H. v. 10 % der Gebäudeherstellungskosten.

 

Rz. 476c

Ausgaben sind die Aufwendungen des Unternehmers für die Erbringung der fiktiven sonstigen Leistungen.[3] Zu den Ausgaben gehören auch die Aufwendungen, die aus Zuschüssen finanziert worden sind.

 

Rz. 476d

Wird zur Erbringung der sonstigen Leistung ein Gegenstand verwendet[4], gehören also nach der ausdrücklichen Regelung des § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 S. 2 UStG auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten für diesen Gegenstand zu den Ausgaben. Für die anderen Fälle der unentgeltlichen sonstigen Leistungen[5] gilt für die seltenen Fälle der Berücksichtigung eines Gegenstands durch die Verweisung in § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 S. 2 UStG Entsprechendes. Gemäß § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 S. 3 UStG in der jetzt geltenden Fassung sind diese grundsätzlich auf einen Zeitraum zu verteilen, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG entspricht, also 5 bzw. 10 Jahre oder jeweils kürzere betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer. Nur wenn die Anschaffungs- oder Herstellungskosten weniger als 500 EUR ausmachen, gilt diese Regelung nicht, in diesem Fall sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sofort im Jahr des Leistungsbezugs zu erfassen.

 

Rz. 476e

Die Regelung für die Bemessungsgrundlage zu den fiktiven sonstigen Leistungen – vor allem durch Verwendung eines unternehmerischen Gegenstands – ist durch das Richtlinien-UmsetzungsG geschaffen worden. Gemäß Art. 22 Abs. 3 dieses Gesetzes ist sie (rückwirkend) zum 1.7.2004 in Kraft getreten. Sie ist wegen der Entscheidung des EuGH[6] und der dieser folgenden BFH-Rechtsprechung[7] als Maßnahme zur Verhinderung fiskalisch unerwünschter Folgen[8] geschaffen worden. Zuvor war bereits durch das BMF[9] zu § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG die spätere gesetzliche Ergänzung vorweggenommen und die Vorschrift so ausgelegt worden, wie es der jetzige Wortlaut der Vorschrift ausdrückt. Diese Verwaltungsregelung ist allerdings vom BFH[10] für rechtswidrig und daher nicht anwendbar erklärt worden.[11] Zur Verfassungsmäßigkeit und Unionsrechtskonformität s. u. Rz. 476k.

 

Rz. 476f

Die Auslegung durch die Verwaltung ist wie auch später die Ergänzung des § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG kritisiert worden. Insbesondere war die unionsrechtliche Grundlage in der 6. EG-Richtlinie umstritten.[12]

 

Rz. 476g

Gegen die Auffassung der Verwaltung[13] und die Regelung des § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 S. 3 UStG wird vor allem die Verletzung des Unionsrechts eingewendet. Dieses sehe als Bemessungsgrundlage nur den Teil der Gesamtausgaben an, der auf den Wertverzehr durch die Privatnutzung entfalle.[14] Daher komme nur die übliche Abschreibung, nicht aber eine Anlehnung an die Länge des Berichtigungszeitraums des § 15a Abs. 1 UStG in Betracht.[15]

 

Rz. 476h

Die in § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 S. 3 UStG niedergelegte Auffassung verstößt m. E. gegen das Unionsrecht.[16] Mit den anteiligen jährlichen Ausgaben für den Wertverzehr durch die Privatnutzung, die nach Auffassung des EuGH[17] die Bemessungsgrundlage für die unentgeltlichen Dienstleistungen bilden, kann der Berichtigungszeitraum des § 15a Abs. 1 UStG nicht gleichgesetzt werden. Zum einen ist die Annahme eines Wertverzehrs von 10 Jahren für ein Gebäude(-teil) völlig unrealistisch[18], damit als Bemessungsgrundlage ungeeignet und nicht mit dem Unionsrecht vereinbar. Insbesondere aber die bewusst beabsichtigte Einbeziehung des Grund und Bodens in die Bemessungsgrundlage durch die Zugrundelegung des Berichtigungszeitraums steht mit dem unionsrechtlich geforderten Ansatz der Ausgaben im Widerspruch, da Grund und Boden sich nicht verbrauchen und daher auch nicht quasi Ausgaben sein können.

 

Rz. 476i

Weder der Neutralitätsgrundsatz des Mehrwertsteuersystems noch die fiskalischen Folgen ...

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