Rz. 470

Der auf den Zeitpunkt der Entnahme zu ermittelnde (fiktive) Einkaufspreis entspricht im Regelfall dem Wiederbeschaffungspreis[1], den Wiederbeschaffungskosten.[2] Das ist der Preis, den der Unternehmer zzt. der Entnahme, der Lieferung oder des Verbringens aufwenden muss, um einen gleichen (bei vertretbaren Sachen) oder entsprechenden, also gleichartigen Gegenstand zu erhalten. Insbesondere bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern muss ein Wiederbeschaffungspreis eines Gegenstands gleicher Art und Güte, also gleichen Abnutzungsgrads ermittelt werden. Zur Annäherung an das Entgelt als der Bemessungsgrundlage für die entgeltlichen Umsätze soll eine fiktive Betrachtung des Unternehmers als Käufer auf dem Markt angestellt werden[3] Allerdings gehört nach § 10 Abs. 4 S. 2 UStG die USt nicht zur Bemessungsgrundlage. Eine vorübergehende Streichung der Worte "oder für einen gleichartigen Gegenstand" durch das USt-Binnenmarktgesetz[4] ist irrtümlich geschehen und durch das StMBG[5] wieder korrigiert worden. Die Streichung wie die bis heute geltende Wiedereinfügung hatten keine inhaltlichen Folgen.

 

Rz. 470a

Der Begriff des Einkaufspreises schließt – anders als der Teilwert – keine Anschaffungsnebenkosten[6] ein. Deshalb mussten die Nebenkosten ausdrücklich erwähnt werden, um in die Bemessungsgrundlage einbezogen zu werden. Der Begriff des Einkaufspreises erfasst auch nicht den Gewinn des Unternehmers, damit erfolgt keine Einbeziehung der Wertschöpfung auf dieser Handelsstufe. Der Ansatz des Einkaufspreises zuzüglich der Nebenkosten zum Zeitpunkt des Umsatzes ist dann systematisch unproblematisch, wenn der tatsächlich unentgeltlich gelieferte Gegenstand zeitnah zur Wertabgabe erworben wurde. In diesem Fall wird zwischen dem damaligen Einkaufspreis und dem derzeitigen Einkaufspreis kein – oder nur ein geringer – Unterschied vorhanden sein. Je länger die Zeitdifferenz zwischen Anschaffung und unentgeltlicher Lieferung wird, desto mehr kann der damalige Einkaufspreis von dem aktuellen Einkaufspreis abweichen. Ein gleicher Effekt tritt ein, wenn es sich um einen Gegenstand handelt, der im Unternehmen bisher genutzt worden ist und dann ein "Einkaufspreis" eines vergleichbar abgenutzten Gegenstands ermittelt werden muss. Nach der derzeitigen Ausgestaltung der Ermittlung des Einkaufspreises führt das dazu, dass die Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Lieferung zwar nicht dem Grunde so doch aber der Höhe nach von dem historischen Vorsteuerabzug aus der Anschaffung des unentgeltlichen gelieferten Gegenstands abgekoppelt wird.

 

Rz. 470b

Liegen verschiedene Einkaufspreise vor, da es verschiedene Versorgungsmärkte (z. B. für Einzelhändler oder für Großhändler) gibt, ist der jeweilige Einkaufspreis von dem Versorgungsmarkt abzuleiten, der dem Unternehmer jeweils zugänglich ist, bzw. über den er sich üblicherweise versorgt.[7] Dafür spricht das allgemeine Bewertungsziel des Unionsrechts, dass der Unternehmer weder einen wirtschaftlichen Vorteil noch einen Nachteil aus der unentgeltlichen Lieferung ziehen sollte – dies entspricht dem Neutralitätsgedanken des Unionsrechts.

 

Rz. 470c

Ist für den entnommenen oder innergemeinschaftlich verbrachten Gegenstand kein "Einkaufspreis" ermittelbar, kann auch ein Einkaufspreis eines gleichartigen Gegenstands herangezogen werden. Ob Gegenstände gleichartig sind, ist nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH[8] in erster Linie aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen. Gegenstände sind gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zwischen diesen Gegenständen nicht erheblich beeinflussen. So hat der EuGH[9] zur Vergleichbarkeit von Gebäuden festgestellt, dass für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlage die Gebäude berücksichtigt werden können, deren Lage, Größe und sonstige wesentliche Merkmale mit denen des fraglichen Gebäudes vergleichbar sind.

 

Rz. 470d

Besondere Fragestellungen ergeben sich in den Fällen, in denen Gegenstände unentgeltlich abgegeben werden, die an sich noch einen Wert haben, die für sich genommen aber bei dem wertabgebenden Unternehmer keinen materiellen Wert mehr haben. Hier sind insbesondere Sachspenden an gemeinnützige Organisationen zu nennen. Vgl. dazu Rz. 519.

 

Rz. 471

Die Nebenkosten für den Gegenstand sind nach der ausdrücklichen Regelung des § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG hinzuzurechnen. Dieses musste ausdrücklich geregelt werden, da die Nebenkosten begrifflich zum Einkaufspreis gehören. Art. 74 MwStSystRL[10], der ebenfalls vom Einkaufspreis spricht, wird dementsprechend durch Art. 78 MwStSystRL[11] ergänzt. Danach gehören zu den einzubeziehenden Nebenkosten die Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der USt (Art. 78 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL) sowie andere Nebenkosten wie Provisions-, Verpackungs-, Beförderungs- und Versicherungskosten, "d...

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