Rz. 220

Die systematischen Grundsätze beim Schadensersatz sind eigentlich denkbar einfach: Liegt ein Schadensersatz vor, ist mangels Leistungsaustausch ein der USt unterliegender Vorgang nicht vorhanden, es entsteht keine USt. Wenn aber zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitig Leistungen ausgetauscht werden, liegt – unter den weiteren Voraussetzungen – ein steuerbarer Leistungsaustausch vor, wenn die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Leistung darstellt. Neben diesen allgemeinen Grundsätzen ist die Abgrenzungsfrage zwischen Schadensersatz und Leistungsaustausch vielschichtig und auch streitbefangen, erfordert immer aber eine Einzelfallbetrachtung. Aus der Rechtsprechung hat sich eine Vielzahl von differierenden Einzelfällen herausgebildet.

 

Rz. 221

Abbruchkosten: Zahlt eine Gemeinde dem Eigentümer eines bebauten Grundstücks in einem Sanierungsgebiet für den Abbruch des Gebäudes eine Gebäude-Restwertentschädigung, ist die Zahlung kein Entgelt für eine steuerbare Leistung des Grundstückseigentümers an die Gemeinde.[1] Dagegen können Abbruchkosten, die eine Gemeinde zur Freimachung in einem Sanierungsgebiet übernimmt, im Rahmen eines Leistungsaustauschs gezahlt werden.[2]

 

Rz. 222

Ablöseentschädigungen im Profisport: Die Freigabe eines Fußballvertragsspielers oder Lizenzspielers gegen Zahlung einer Ablöseentschädigung vollzieht sich im Rahmen eines Leistungsaustauschs zwischen dem abgebenden und dem aufnehmenden Verein.[3] Das gilt auch, wenn die Ablöseentschädigung für die Abwanderung eines Fußballspielers in das Ausland von dem ausländischen Verein gezahlt wird, soweit die Leistung im Inland ausgeführt ist. Ein Schadensersatz liegt nicht vor.

 

Rz. 223

Abmahnungen/Abmahnverein: Sog. Abmahnvereine, die gegenüber Dritten Unterlassungsansprüche geltend machen, haben einen Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen nach § 12 Abs. 1 UWG. Nach Auffassung des BFH[4] erbringen sie gegenüber den abgemahnten Unternehmern dadurch eine Leistung gegen Entgelt. Zahlungen, die an einen Unternehmer von dessen Wettbewerbern als Aufwendungsersatz aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen geleistet werden, sind nach der Rechtsprechung des BFH[5] ebenfalls umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und den von ihm abgemahnten Wettbewerbern – und nicht als nicht steuerbare Schadensersatzzahlungen – zu qualifizieren. Nach der Feststellung des BFH beurteilt sich die Frage, ob ein Leistungsaustausch vorliegt oder ein nicht steuerbarer Schadensersatz gegeben ist, nicht nach zivilrechtlichen Grundsätzen, sondern ausschließlich nach den vom Unionsrecht geprägten umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben. Die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Neutralität der Mehrwertsteuer gebieten es, die Abmahnleistung, die der Abmahnende an den Abgemahnten erbringt, gleich zu besteuern, ob sie nun zivilrechtlich auf § 9 UWG[6] oder auf § 12 UWG[7] gestützt ist. Nach Auffassung des BFH weist der Unternehmer mit den Abmahnungen seinen Mitbewerbern einen Weg, ihn als Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen[8], und ihm hiermit einen konkreten Vorteil verschafft, der zu einem Verbrauch i. S. d. gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt. Ob sich diese Grundsätze auch auf die Abmahnungen nach dem UrhG übertragen lassen, war strittig und Gegenstand eines Revisionsverfahrens beim BFH.[9] Der BFH kam in seiner Entscheidung[10] zu dem Ergebnis, dass auch die Zahlungen, die an einen Unternehmer als Aufwendungsersatz aufgrund von urheberrechtlichen Abmahnungen zur Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs geleistet werden, umsatzsteuerrechtlich als Entgelt im Rahmen eines umsatzsteuerbaren Leistungsaustauschs zwischen dem Unternehmer und den von ihm abgemahnten Rechtsverletzer zu qualifizieren sind. Auf welche nationale zivilrechtliche Grundlage der Zahlungsanspruch gestützt wird, soll für die Frage, ob ein Leistungsaustausch im umsatzsteuerrechtlichen Sinne vorliegt, keine Rolle spielen. Dem BFH ist zuzustimmen, dass die unterschiedlichen nationalen Anspruchsgrundlagen im unionseinheitlichen Mehrwertsteuerrecht keine Relevanz haben. Der BFH verkennt in seiner Rechtsprechung allerdings die unterschiedlichen Motive, die bei den unterschiedlichen Abmahnungen vorhanden sind. Während bei der Abmahnung von Abmahnvereinen und von Wettbewerbern nicht der unmittelbare Schutz der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit im Vordergrund steht, hat der abmahnende Unternehmer, der den Schutz seiner Urheberrechte betreibt, ein ureigenes Interesse, die Quelle seiner unternehmerischen Betätigung und damit seiner Einnahmen zu schützen – er erbringt damit keine Beratungsleistung an andere, sondern wird nur im ureigenen Interesse tätig. Damit muss m. E. ein nicht steuerbarer Schadensersatz vorliegen, wenn der Geschädigte selbst den Schädiger (z. B. einen Rechteverletzer) abm...

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